Stéphanie d'Oustrac, Lothar Zagrosek
(c) Bruno Fidrych

Mit Konzerten in Schloss und Nationalphilharmonie eröffnete am gestrigen Sonntag das Ludwig-van-Beethoven-Festival (07.04. – 19.04.) in Warschau. Für Pizzicato berichtet Martin Hoffmeister.

Die 23. Ausgabe der international renommierten Reihe steht 2019 unter der Überschrift ‘Beethoven and the Songs of Romanticism’. Für 20 Konzerte in 13 Tagen hat Festival-Direktorin Elzbieta Penderecka bedeutende Dirigenten, Solisten, Vokalisten, Orchester und Ensembles wie Christian Gerhaher, Stephanie d’Oustrac, Pekka Kuusisto, Beatrice Rana, Rudolf Buchbinder, Pablo Ferrandez, Szymon Nehring, Paavo Järvi, Lawrence Foster, Alexander Liebreich, das Shanghai Quartet, die Sinfonia Varsovia, das Helsinki Philharmonic, das Tonhalle-Orchester Zürich, die Dresdner Philharmonie oder das Polnische Nationale Radio Sinfonieorchester Kattowitz eingeladen.

Neben Werken des Namensgebers und Protagonisten stellt das Festival in diesem Jahr auch Musik der Jubilare Hector Berlioz (150. Todestag) und Stanislaw Moniuszko (200. Geburstag) in den Fokus. Entlang des Festival-Mottos wurden zudem stilbildende Vokalwerke der Romantik wie u.a. Schuberts Winterreise, von Berlioz die Nuits d’été, Mussorgskis ‘Lieder und Tänze des Todes‘, Schumanns Dichterliebe oder Mahlers ‘Lieder eines fahrenden Gesellen’ programmiert. Zu weiteren Höhepunkten zählen die Aufführungen von Krzysztof Pendereckis 8. Symphonie‚ ‘Lieder der Vergänglichkeit’ und Benjamin Brittens ‘War Requiem‘. Sinnfällig gerahmt wird das Konzerte-Tableau vom alljährlichen musikwissenschaftlichen Symposium und der Autographen-Schau in der Krakauer ‘Jagiellonen Bibliothek‘. Begleitende Festival-Veranstaltungen finden überdies in Städten wie Danzig, Kattowitz, Lublin oder Breslau statt.

Zu exemplarischen künstlerischen Wegmarken gerieten bereits die beiden Auftaktkonzerte des Festivals. Mit einer solitären, tiefgreifenden Exegese von Schuberts Winterreise unterstrichen Bariton Christian Gerhaher und Klavierpartner Gerold Huber ein weiteres Mal ihren eminenten Ruf als eines der drei weltweit führenden Kunstlied-Duos. Einmal mehr verstand man, Schuberts hermetische, von Trauer, Schmerz, Melancholie und Aussichtslosigkeit getragenen Kunstwelten in den Konzertrahmen zu transferieren, ohne durch künstliche resp. inszenatorische Geste die emotionale Vielgesichtigkeit der Vorlagen zu desavouieren oder zu abstraktem Phänomen zu mindern.

Gerhaher und Huber zelebrieren nicht Rollen, sie leben Charaktere und deren innere Verfasstheit. Vermag der Sänger mittels stimmlicher Varianz, Beweglichkeit und Empathie gegenüber seinen Figuren jeder subtilsten emotionalen Volte nachzuspüren, so begleitet ihn sein Klavierpartner mit ungehörtem koloristischen Raffinement und weit offenem Sinn für Zwischentöne und Nuancen.

Stéphanie d’Oustrac, Lothar Zagrosek (c) Bruno Fidrych

Lied-Rezitale wie dieses transzendieren die üblichen Konzertrituale und Rezeptions-Konventionen. Mit ihrer authentischen Dramatik und Suggestivkraft stehen sie für das Beste, das Musik, das Kunst im Allgemeinen leisten kann. Ähnliches – in anderem Kontext –  nachzurühmen gilt der französischen Mezzosopranistin Stéphanie d’Oustrac, die am Eröffnungsabend mit einer selten eindringlichen, lyrisch verdichteten Lesart von Berlioz‘ Nuits d’été einzunehmen wusste. Begleitet von der hellwachen, sensitiv aufspielenden Sinfonia Varsovia unter der Leitung von Lothar Zagrosek verstand d’Oustrac so souverän wie ausdrucksstark die atmosphärischen S

chattierungen, Stimmungen, Düfte und Farben der Sommernächte aufzufalten. Ein denkwürdiger Festival-Beginn.

Informationen unter: beethoven.org.pl

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