Dietrich Fischer-Dieskau - Lied Edition Vol. 2: Werke von Ludwig van Beethoven, Johannes Brahms, Ferruccio Busoni, Felix Mendelssohn Bartholdy, Hans Pfitzner, Max Reger, Franz Schubert, Robert Schumann, Reinhard Schwarz-Schilling, Karol Szymanowski, Hugo Wolf, Alexander von Zemlinsky und weitere; Dietrich Fischer-Dieskau, Kolja Blacher, Violine, Karl Engel, Wolfgang Sawallisch, Aribert Reimann, Klavier, Dieter Klöcker, Klarinette, Klaus Wallendorf, Horn; 4 CDs Orfeo C993204; Aufnahmen 1970, 1975, 1983, 1985, Veröffentlichung 06/2020 (251'40) – Rezension von Uwe Krusch
Dietrich Fischer-Dieskau gehört zu den Künstlern, die, obwohl nicht mehr auf dem Podium aktiv, auch heute noch über ihren Wirkungskreis hinaus bekannt sind. Und er wird auch für jeden angehenden Sänger in seiner Ausbildung als Merkposten vermerkt. Dabei darf man als sein Hauptgebiet vor allem das Kunstlied sehen, obwohl er oft auch Oper und Oratorium sang. Sein Ansatz zeichnet sich dadurch aus, dass er über die Wiedergabe hinaus seine Interpretationen umfassend aus Text- und Kompositionszeit heraus zu verstehen suchte. Damit erreichte er eine gedankliche Durchdringung besonderer Intensität, die sich auch in seinem Gesang spiegelte. Wichtig waren auch immer seine Begleiter, die neben Hartmut Höll als dauerhaftem Partner auch wiederholte projektbezogene Zusammenarbeiten besonderer Intensität einschlossen, wie mit Aribert Reimann. Ausgehend von einer lyrischen Stimme entwickelte er so seinen Kosmos.
Die beiden Sammlungen stehen unter dem Titel Lied Edition. Gemeint ist damit hier fast nur das deutschsprachige Lied. Und es finden sich in den beiden Boxen nur Einzellieder, bis auf Wolfs Italienisches Liederbuchs keine großen Zyklen. Fischer-Dieskau sang auch fremdsprachiges Repertoire; dieses wird hier kaum berücksichtigt. Ob diese Seite des Sängers auch noch gezeigt werden wird, ist nicht bekannt. Man mag auch bemerken, dass Liedkomponisten wie Alma Mahler oder Carl Loewe hier nicht auftauchen, aber es wird von den Gestaltern auch kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. Ebenso fällt auf, dass etliche Namen auftauchen, die einem nicht oder nicht primär als Lied Komponisten einfallen wie Conrad Ansorge, Anna Amalia von Sachsen-Weimar, Lorenz Kraussold, Emil Sjögren oder Artur Schnabel. Gerade das von Letzterem geschaffene Notturno auf ein Gedicht von Dehmel fällt positiv aus dem Rahmen, da es mit mehr als zwanzig Minuten den üblichen Liedrahmen sprengt. Hier bietet sich Fischer-Dieskau und Aribert Reimann aber auch die Chance, eine größere Erzählung zu gestalten, was Ihnen mit so viel Eleganz und Feingefühl gelingt, dass die eher spröde Musik mit Wärme und Charme aufleuchtet. Ob man den Stil von Fischer-Dieskau heute noch trotz aller Vorzüge so hören möchte, gerade wenn man mehrere Programme beinahe am Stück hört, mag man anzweifeln. Manche Eigenarten der Gestaltung ist nach wie vor großartig, hier oder da mögen einen auch sogenannte Manierismen ablenken.
In beiden Sammlungen gesellen sich punktuell weitere große Künstler hinzu. Neben den Pianisten Hartmut Höll, Aribert Reimann (bei Zelter mit Hammerklavier), Wolfgang Sawallisch und Erik Werba sind die die Geiger Kolja Blacher und Dmitry Sitkovetsky für Spohr-Vertonungen, bei denen auch Hans Schöneberger, Klarinette, und die Sopranistin Julia Varady das Tableau vervollständigen. Die romantischen Lieder werden vom Klarinettisten Dieter Klöcker und dem Hornisten Klaus Wallendorf bereichert.
In der ersten Kassette wird das Italienische Liederbuch von Hugo Wolf zusammen mit der Sopranistin Irmgard Seefried und Erik Werba am Klavier angeboten, dass trotz der Adaption für die tiefere Lage von Dieskau eine Sonderstellung hat. Ebenso anders ist die Sammlung der Lieder von Johann Friedrich Reichardt, da sie die Begleitung der Harfe statt des Klaviers vorsehen, was Maria Graf mustergültig ausfüllt und ein anziehendes Klangbild offeriert.
In der ersten Kassette werden fünf Programme vorgestellt, die sich jeweils an das Schaffen eines Komponisten halten. Darunter auch die kaum noch bekannten Reichardt und Zelter. In der zweiten Sammlung finden sich Konzertmitschnitte, bei denen Texte jeweils eines Dichters in Vertonungen unterschiedlicher Komponisten und damit auch Epochen den Rahmen bilden. Hier ist die erste Aufnahme der Lieder nach Goethe aus Stockholm aus dem Privat Archiv. Hier mag die Technik schlechter gewesen sein, so dass die Verständlichkeit etwas geringer ist. Insgesamt ist die Technik, mit leichten Vorzügen bei Sammlung 1, wo insbesondere die Textverständlichkeit noch höher ist, keinesfalls zu bemängeln. Die Beihefte mit kurzen Einleitungen und den Texten ohne Übersetzung vervollständigen die Ausstattung