Johann Sebastian Bachs Klavierwerk Das Wohltemperierte Klavier gehört in seiner Gesamtheit (und Gesamtdauer von rund 4 Stunden) zu den ganz großen Herausforderungen für jeden Pianisten. Ich selbst habe bisher nur den 1. Teil einmal live im Konzert erleben können, vor gut 15 Jahren im Palais de Beaux-Arts in Brüssel mit Daniel Barenboim. Es scheint demnach auch logisch, dass es eine enorme Vorbereitungsarbeit braucht, um dieses Werk auf CD zu bannen, so dass der natürliche Puls und Atem in jedem Moment erhalten bleibt. Jérôme Granjons Interpretation der zwei Teile ist ein wirklich großer Wurf. Zum einen beeindruckt der Pianist durch ein sehr entspanntes, fast selbstverständliches Spiel, das quasi hypnotische Wirkung erzielt und den Hörer unweigerlich in seinen Bann zieht. Zum anderen ist man von der Klarheit der Linien beeindruckt, ebenso von der Transparenz des Spiels und der Bedeutung jeder einzelnen Note.
Jérôme Granjon gelingt somit das seltene Kunststück, Bachs Wohltemperiertes Klavier mit einer ungeheuren Präsenz zu spielen und dabei den Hörer auf eine wunderbare musikalische Reise mitzunehmen. Denn der französische Pianist hat noch mehr zu bieten als analytischen Durchblick und spieltechnisches Können. Im Gegensatz zu vielen anderen großartigen Interpreten dieses Werkes wie Edwin Fischer, Svjatoslav Richter, Andras Schiff, Daniel Barenboim oder Dina Ugorskaja, die jeder für sich das Wohltemperierte Klavier auf eine einzigartige, individuelle Art und Weise geprägt haben, bereichert Granjon die Musik mit einer herrlich bunten Farbmischung. Geeicht an Debussy und Ravel und an der Farbenvielfalt des französischen Impressionismus lässt er Bachs Musik in den schönsten Farben aufblühen. Diese Kombination von struktureller Präzision und leuchtenden Farben lässt uns somit auch eine ganz besondere, etwas andere Interpretation erleben.
Johann Sebastian Bach’s piano work The Well-Tempered Clavier belongs in its entirety (and total duration of about 4 hours) to the very great challenges for every pianist. I myself have only been able to experience the 1st part live in concert once, a good 15 years ago at the Palais de Beaux-Arts in Brussels with Daniel Barenboim. It therefore seems logical that an enormous amount of preparation work is needed to make a recording of this work, so that the natural pulse and breath is preserved at every moment. Jérôme Granjon’s interpretation of the two parts is truly great. On the one hand, the pianist impresses with very relaxed, almost natural playing that achieves a quasi-hypnotic effect on the listener. On the other hand, one is impressed by the clarity of the lines, as well as by the transparency of the playing and the importance of each individual note.
Jérôme Granjon thus is playing Bach’s Well-Tempered Clavier with tremendous presence while taking the listener on a wonderful musical journey. Yet the French pianist has even more to offer than analytical insight and technical ability. Unlike many other great interpreters of this work, such as Edwin Fischer, Svjatoslav Richter, Andras Schiff, Daniel Barenboim or Dina Ugorskaja, who have each left their mark on the Well-Tempered Clavier in a unique, individual way, Granjon enriches the music with a wonderful blend of colors. Used to Debussy and Ravel and to the colorfulness of French Impressionism, Granjon allows Bach’s music to bloom in the most beautiful colors. This combination of structural precision and bright colors therefore allows us to experience a very special, somewhat special interpretation.