Die Karriere eines Wüstlings, wie man The Rake’s Progress übersetzen mag, ist das letzte Werk von Igor Stravinsky im neoklassizistischen Stil. Die Geschichte um einen jungen Lebemann, der sein Schicksal dadurch lenken will und seine Seele unbemerkt an den Teufel verkauft sowie seine große Liebe zunächst vergisst, endet dann doch noch glücklich.
Barbara Hannigan, wohl noch mehr als Sängerin denn als Dirigentin bekannt, hat für ihr Debut als Operndirigentin alles auf eine Karte gesetzt und alle Trümpfe gespielt. Zunächst einmal gelingt ihr mit dem Symphonieorchester aus Göteborg eine wunderbar blühende Darstellung der Musik. Nach dem Motto, es kommt drauf an, wo man brüllt, schält sie das Klassizistische aus der Beschreibung als letztes klassizistisches Werk heraus und lässt die Farben der Musik sprühen. Das in späteren Werken oft auch Perkussive der Werke bei Stravinsky wird hier gebändigt.
Das wahrscheinlich viel größere Risiko, neben ihrer Dirigierpremiere, hat Hannigan damit genommen, dieses Projekt gleichzeitig als Mentorin für junge Gesangskollegen zu initiieren. Damit verbunden waren etwa drei Jahre Vorbereitungen einschließlich der Auswahlrunden, aber auch gemeinsame Gespräche mit den Ausgewählten und Gästen wie Natalie Dessay und Daniel Harding, in denen es weniger um das Werk, sondern generell um den nach Bestätigung heischenden jungen Künstler geht und die Fallstricke auf dem Weg. Aber auch die Freude des Nachwuchses bei der Nachricht über das Engagement wird hörbar gemacht. Diesen Weg hat das Projekt in Begleitung von Maria Stodtmeier in rund einstündigen Dokumentation eingefangen, die einfühlsam, doch nicht aufdringlich Stationen dieser Arbeit zeigt.
Die Aufzeichnung der Premiere zeigt dann, dass die intensive Vorbereitung reife Frucht trägt. Halbszenisch agieren die Sänger vor dem auf der Bühne platzierten Orchester. Neben dem glänzend eingestellten Chor, ebenfalls aus Göteborg, erobern die jungen Sänger die Bühne mit von großem Können und von knisternder Spannung getragenem Engagement. Ohne die Nichtgenannten damit herabsetzen zu wollen, erzielen John Taylor Ward als Nick Shadow, hellblond in schwarzer Kluft mit leichthändig satanischem Auftritt, William Morgan als genauso leichtlebiger wie verzweifelter Tom Rakewell mit jugendlicher Stimme, die aber trotz der Rolle nicht in leichten Übereifer umschlägt sowie vor allem Aphrodite Patoulidou in der Rolle der Anne Truelove grandiose Gesangsleistungen bei prägender Bühnenpräsenz und gekonnter gestischer Beimischung. So kann gerade Patoulidou ihre Energie herauslassen, ohne zu überdrehen, so dass ein starkes, aber nicht kitschiges Bild der Anne entsteht. Vielleicht auch das gleiche Lebensalter der Darsteller mit ihren Rollen, zumindest was Tom und Anne angeht, macht die Rollengestaltung ebenso überzeugend.
Taking Risks oder frei übertragen: Frisch gewagt ist alles gewonnen.