Die Nachtstücke und Arien markieren Henzes Zuwendung zum Wohlklang und damit die Abkehr von den rigiden Dogmen der Zwölftontechnik. Die damit begründete musikalische Entfremdung von deren Vertretern hat ihn seinen eigenen Weg finden lassen.
Alsop wählt mit dem ORF Radio-Symphonieorchester Wien einen für den Titel passenden Ansatz, wenn sie zu Beginn den Klang etwas einhegt und so eine volle Kraftentfaltung wie unter Tageslicht umgeht. Auch nimmt sie die Tempi geringfügig langsamer als andere, so dass eine atmosphärisch intensive, mitunter fast bedrohliche Lesart zum Tragen kommt. Juliane Banse entfaltet in den beiden in die Nachtstücke eingebetteten Arien ein von fein bis kräftig reichendes Stimmvolumen, dem sie ein reiches Bukett an Nuancen mitgibt und so die Subtilität der Gedicht von Ingeborg Bachmann ausdrückt.
Mit Los Caprichos liefert Henze eine gedankliche Auseinandersetzung in Tönen zu den gleichnamigen gesellschaftskritischen Radierungen von Francisco de Goyas. Zugleich sind diese aber auch die Orchestrierung seiner eigenen Lucy Escott Variationen auf eine Bellini-Arie. Aus beiden Zuschreibungen ergibt sich auch der noch klassischere Ansatz im Stil als sonst, da Henze sich in die gedachte Ausdruckswelt zu Zeiten Goyas versetzen wollte.
Den ORF-Symphonikern und Marin Alsop gelingt es gut, Henzes Absicht, den in den Radierungen angelegten Schmerz, Sarkasmus und Schrecken hörbar zu gestalten. Das betrifft auch den Aspekt, dass Einleitung, Thema und sieben Variationen jeweils ihren eigenen Charakter haben, was die Interpreten herausschälen.
Die englischen Liebeslieder sind mit beinahe zwanzig Jahren Abstand das jüngste Werk in dieser Zusammenstellung. Mit englischen Gedichten von Shakespeare bis Joyce hat Henze wiederum eine Grundlage gefunden, für die er nach einer strukturellen Analyse Lyrik in Musik übertragen hat, die in einer Hymne im Streichquartett mit dem Solocello auf die Liebe endet.
Der Solostimme des Cellos kommt sozusagen die Rolle der Singstimme zu. Diese wird hier vom jungen Mikayel Hakhnazaryan übernommen. Mit singend rundem Ton auch in intensiven Passagen ohne jede technische Forcierung formuliert er die Solostimme in Übereinstimmung mit den Klangvorstellungen von Dirigentin und Orchester. Immer wohlgeformt im Klang, selbst in aufgewühlten Episoden, wird die Musik immer transparent dargereicht und damit dem Wusch von Henze nach Wohlklang gerecht. Dabei bleibt aber die Vehemenz der Dichte des Ausdrucks ungebrochen.
The Night Pieces and arias mark Henze’s turn towards euphony and thus his departure from the rigid dogmas of the twelve-tone technique. The resulting musical alienation from its representatives allowed him to find his own way.
Alsop, with the ORF Radio Symphony Orchestra Vienna, chooses an approach appropriate to the title when she hems the sound in somewhat at the beginning, bypassing a full development of power as if under daylight. She also takes the tempos slightly slower than others, bringing to bear an atmospherically intense, at times almost menacing reading. In the two arias embedded in the Nachtstücke, Juliane Banse unfolds a vocal volume ranging from delicate to powerful, to which she adds a rich bouquet of nuances, expressing the subtlety of Ingeborg Bachmann’s poems.
With Los Caprichos, Henze delivers a thoughtful examination in tones of Francisco de Goya’s socially critical etchings of the same name. At the same time, however, these are also the orchestration of his own Lucy Escott variations on a Bellini aria. Both attributions also give rise to the even more classical approach in style than usual, since Henze wanted to place himself in the imagined expressive world of Goya’s time.
The ORF Symphoniker and Marin Alsop succeed well in making audible Henze’s intention, the pain, sarcasm and terror inherent in the etchings. This also applies to the aspect that the introduction, theme and seven variations each have their own character, which the performers bring out.
The English Love Songs are the most recent work in this compilation, by almost twenty years. With English poems from Shakespeare to Joyce, Henze has again found a basis for which, after a structural analysis, he has translated poetry into music, ending in a hymn in string quartet with the solo cello to love.
The solo cello voice takes on the role of the singing voice, so to speak. This is taken over here by the young Mikayel Hakhnazaryan. With a singing rounded tone, even in intense passages without any technical forcing, he formulates the solo voice in accordance with the sound ideas of the conductor and the orchestra. Always well-formed in sound, even in agitated episodes, the music is always presented transparently and thus does justice to Henze’s wish for euphony. Yet the vehemence of the density of expression remains unbroken.