Die Sonaten von Johannes Brahms können auch für einen Rezensenten manchmal, sagen wir anstrengend werden. Denn alle Sonaten hintereinander gespielt können in forciert kräftigen Interpretationen, die den wirklichen oder scheinbaren norddeutschen Geist beschwören wollen, auf die Dauer anstrengend werden. Dann wird man dessen leicht überdrüssig, egal wie gut die Interpreten sind.
Hier liegt die Angelegenheit gänzlich anders. Vom ersten bis zum letzten Ton lassen Ibragimova und Tiberghien ihre in vielen Projekten entwickelte musikalische Intimität wieder aufleben. Die besteht wohl auch in einem grundsätzlichen Ansatz des Musikverständnisses. Jedenfalls äußert sich das in einem zutiefst intensiven, sinnlichen Ausdruck, der trotzdem nicht zu Schwere und Überdruss beim Hörer führt.
Mit Tonschönheit, die keiner Komposition schadet, überzeugen sie auch hier. Doch die Kraft und Stärke wird nicht übertrieben, sondern es ergeben sich auch immer wieder nachdenklich verhaltene Passagen, die der Seele Ruhe geben. Und alles klingt auch noch so natürlich, als ob eine Blüte aufgeht. So schaffen sie es, gleichzeitig mit tiefster Empfindung und trotzdem ohne übertriebenes Pathos diese Welt auszudrücken.
Auch das Andante molto aus den drei Romanzen von Clara Schumann wird mit sensibler Geste als eine Bereicherung ergänzt. Deswegen ist diese Aufnahme dieser beiden Künstler wiederum eine große Erbauung und vom ersten bis zum letzten Ton Labsal und keine Qual.