Johann Sebastian Bach: Inventionen BWV 772-786; Frédéric Chopin: Préludes Nr. 1-24; 1 CD CAvi 103076677; Aufnahme 2004, Wiederveröffentlichung 10/2020 (67'00) - Rezension von Alain Steffen
« Bei den Inventionen von Johann Sebastian Bach, die leider immer noch als Übungsstücke gelten, hat mich seit meiner Kindheit deren unglaublich raffinierter Ideenreichtum fasziniert, vor allem im Umgang mit nur zwei Stimmen, der einen Interpreten erfahren lässt, wie viel man in Wirklichkeit können muss, um der Aufgabe gerecht zu werden. Und dagegen einer der anspruchsvollsten Zyklen der Klaviermusik, sowohl im musikalischen wie auch im technischen Sinne: Die Préludes von Chopin, mit ihrem raschen Wechsel von verschiedenen, zum Teil gegensätzlichen Empfindungen und Gefühlen; eine von entwaffnender Natürlichkeit erfüllte Synthese, die es beim Spielen fast unmöglich macht, die Musik selbst und nicht den Interpreten zum Vorschein zu bringen. Die Spannung zwischen der trügerischen Einfachheit bei Bach und der zur Schlichtheit zwingenden Komplexität bei Chopin macht für mich den Reiz dieser Zusammensetzung aus.“ So die Pianistin Dina Ugorskaja (1973-2019) über ihre bereits 2004 aufgenommene und 2008 erschienene Aufnahme, die nun mit einer verbesserten Klangqualität wieder aufgelegt wird
Bei CAvi-Produktionen ist man zweierlei gewohnt: Erstklassige Interpreten und erstklassige Aufnahmequalität. Und in den vergangenen Jahren hat die leider viel zu früh verstorbene Musikerin mehrmals bewiesen, welche großartige Bach-Interpretin sie doch ist. Ich verweise hier nur auf ihre Aufnahme des Wohltemperierten Klaviers, wohl eine der besten und schönsten Einspielungen, die es von diesem Werk gibt. Aber auch schon zehn Jahre früher zeigte Dina Ugorskaja ihr Können. Sie gewinnt den Inventionen wie auch den Préludes von Chopin eine erstaunliche Ernsthaftigkeit, sprich Tiefe ab, die man hier nicht erwartet hätte. Urgorskaja legt dabei die Emotionen, ihre und auch die der Komponisten, schonungslos offen; jeder Anschlag, jede Note, jede Phrase ist bedeutungsvoll und das in dieser absolut natürlichen, berührenden und unaufdringlichen Art, die eigentlich jede Einspielung dieser wundervollen Musikerin auszeichnet.
« Johann Sebastian Bach’s Inventions, unfortunately still regarded as mere exercises, have fascinated me since my childhood thanks to their incredibly refined wealth of ideas, particularly when it comes to just two voices, where it is up to the player to discover how able you really have to be to master the task. And, standing in contrast to this one is one of the most challenging cycles in piano music, in both a musical and a technical sense – Chopin’s Préludes, with their rapid changes between different, sometimes highly polarised sentiments and feelings; a synthesis imbibed with disarming naturalness that makes it almost impossible for a performance to bring out the music itself and not the interpreter. The tension between the deceptive straightforwardness of Bach and the simplicity required by the complexity of Chopin makes this an exciting combination », said Pianist Dina Ugorskaya (1973-2019) about her recording, which was made in 2004 and released in 2008, and is now being reissued with improved sound quality.
CAvi productions normally convince with first-class performers and a first-class recording quality. And in the past years, Ugorskaja, who unfortunately passed away far too early, proved several times what a great Bach performer she was. I only refer here to her recording of the Wohltemperiertes Klavier, probably one of the best and most beautiful recordings of this work. But Dina Ugorskaya also showed her skills ten years earlier. She gives the Inventions as well as the Préludes by Chopin an astonishing seriousness, i.e. depth, which one would not have expected here. Urgorskaja unsparingly reveals the emotions, both hers and those of the composers; every touch, every note, every phrase is meaningful and this in this absolutely natural, touching and unobtrusive way that actually distinguishes every recording of this wonderful musician.