Das Budapest Festival Orchestra besucht mit seinem Chef Ivan Fischer regelmäßig das Wiener Konzerthaus, in dieser Saison mit Brahms pur. Heuer standen das erste Klavierkonzert mit dem Solisten Andras Schiff, die erste Symphonie sowie der erste und der elfte Ungarische Tanz, die beiden letzteren in Orchesterversionen, auf dem Programm, wie Uwe Krusch für Pizzicato zu berichten weiß.
Bei zwei so großen Werken, auch was die Dauer angeht, noch jeweils einen ungarischen Tanz voraus zu schicken, mag man für überflüssig halten. Andererseits, wo und wie sollte man sie sonst spielen, alle 24 am Stück? Das mag dann auch etwas eintönig werden. Jedenfalls entfaltete das Orchester in beiden Tänzen schon sein gesammeltes hochengagiertes Ensemblewirken. Der erste Tanz zählt, wenn man den berühmtesten fünften außer Acht lässt, zu den bekannteren. Der elfte dürfte dagegen den meisten nicht so gegenwärtig sein. Beide Werke wurden mit Sorgfalt und die Details feinfühlig auslebend zu Gehör gebracht.
Das Klavierkonzert, wie alle Kompositionen des Abends in Moll gesetzt, spielten Andras Schiff auf einem großen Konzertflügel und das Orchester in großer Besetzung. Trotzdem gelang es ihnen, eine helle und auch schlanke Deutung zu generieren, bei der sie auch kraftvolle Situationen ermöglichten.
Schiff agierte durchsichtig und feinfühlig sowie dynamisch differenziert und, man mag es schattiert nennen. Wenn man so viel analytische Tiefe einsetzte wie Schiff, mochte man fürchten, dass es an Wärme des Vortrags fehlen könnte. Doch zeigte er auch in diesem Punkt ein gehöriges Maß an Einfühlungsvermögen. Mit seiner zurückhaltenden, überlegten Lesart wusste Schiff den Charakter des Werkes zu formen.
Durch die durchsichtige Herangehensweise wurde eine reiche Palette an Farben und Gesten erreicht. Im Zusammenwirken dieses für alle Beteiligten komplexen Werkes zeigte Fischer deutlich seine führende Hand, so dass sich kaum Lücken im gemeinsamen Weg auftaten. So gelang ihnen eine schlüssige und gut blühende Interpretation.
Als Zugabe ließ Schiff noch in aller Bescheidenheit ein Albumblatt von Brahms erklingen.
Die Erste Symphonie offerierten Orchester und Dirigent in einer Schärfen und Spitzen auslassenden Weise, ohne deswegen innere Spannung und konzise Gestaltung des Aufbaus vermissen zu lassen. Auch in diesem Werk gelang es den Musikern trotz der vermeintlich weniger zupackenden Spielweise überzeugend, das dichte Gewebe motivisch-thematischer Beziehungen intensiv und strukturiert darzustellen. Dabei profilierten sich manche Mitglieder des Orchesters, wie etwa die Hornisten und die Flötistin oder auch der körperlich unangenehm hyperaktive Konzertmeister des Abends als Solisten. Doch läge man falsch, nicht auch alle anderen Musiker für ihr aktives und angespannt aufmerksames Wirken bei der Interpretation zu loben.
Wie es Ivan Fischer gerne macht, boten er und sein Orchester im nunmehr bereits begonnenen fünften Jahrzehnt ihres gemeinsamen Weges als Zugabe, klar, Johannes Brahms. Allerdings sortierte sich das Ensemble im Stehen zum Chor und sang ‘Es geht ein Wehen’.