Das Concertgebouworkest aus Amsterdam machte auf seiner Europareise mit Paavo Järvi auch im Wiener Konzerthaus Station. Wie sie Prokofievs fünfte Symphonie sowie, zusammen mit Lisa Bathiasvili, Beethovens Violinkonzert interpretierten, hat Uwe Krusch für Pizzicato erlauscht.
Wobei das Stichwort des konzentrierten Hinhörens im ersten Teil des Konzerts durchaus passend war. Zunächst schufen das Orchester und Järvi in der weitgefassten Exposition des Violinkonzerts eine sich singend entknospende Musiklandschaft, bei der sie darauf achteten, bei der Satzbezeichnung das Schwergewicht auf das Ma no troppo und weniger das Allegro zu legen. Oder anders ausgedrückt hatten sie die Zeit, in alle Nuancen und Schattierungen zu blicken und sich diese entwickeln zu lassen. In Anlehnung an die Begriffe Fein- und Grobmotoriker könnte man hier sagen, dass sie das Werk für Feinhörer und nicht für Grobhörer anboten. Kleinste Tempoanpassungen hin zu einer etwas flüssigen Sicht etwa von der kurzen Fagottsequenz aus sicherten eine durchgehaltene Spannung.
Lisa Bathiasvili fügte sich mit ihrem ebenso sensiblen Spiel wie leuchtenden Ton in diese Vorgabe ein und entwickelte daraus eine feinsinnige Interpretation des Werkes. Dabei konnte sie die dynamischen Abstufungen vor allem hin zu leisestem Spiel im Einklang mit dem Orchester ausleben. Sie hatte sich die Kadenzen von Alfred Schnittke für dieses Werk gewählt. Diese zeichnen sich durch die besondere Note des russisch-deutschen Komponisten einerseits und auch durch seine intensive Anlehnung an das Konzert wie mit den Übernahmen von Paukenmotiv und Thema zu einer dichten Verknüpfung aus.
In der passenden Temporelation zum Allegro ma non troppo wurde das Larghetto ebenfalls köstlich ausgelebt, bevor im Rondo. Allegro dann ein lebendig tänzerisches Tempo den Abschluss bildete.
Als Widmung für die Erdbeben- und die Kriegsopfer in der Türkei- und Syrien bzw. der Ukraine spielten die Streicher von Johann Sebastian Bach das Air aus der dritten Suite für Orchester, wobei die ersten Geigen solistisch von Lisa Bathiasvili vertreten wurden. In ihrer Interpretation legten sie sorgfältig die Linien des Werkes offen und hielten sich von schmachtenden Äußerungen fern.
Die 5. Symphonie von Sergei Prokofiev war dann das Werk, das neben den großen Qualitäten des Stückes an und für sich auch ein reizvolles Bravourstück für jedes große Symphonieorchester ist. Hier kann sich wirklich Registergruppe und jedes Instrument darstellen. Eine Verknüpfung unplanbarer Umstände führte dann zu einer Beeinträchtigung des Hörerlebnisses beim Rezensenten. Auf dem an und für sich hervorragenden Sitzplatz stülpten sich die Töne der Tuba, und von gibt es in diesem Werk viele, über den Hörer. Das resultierte wohl aus dem Sitzplatz des Instruments und den Reflexionen vom Saal. Um der Frage zuvorzukommen, das Spiel des Tubisten war nicht nur einwandfrei, sondern hervorragend. Aber die akustische Einwirkung war wirklich betörend, oder eher betäubend. Doch das war nur ein kleiner Aspekt im Gesamtgeschehen.
Järvi ordnete das orchestrale Geschehen in den vier Sätzen des Werkes mit ebenso sicherer Hand wie interpretatorischem Gestaltungssinn. Dabei mochte man sich daran erinnern, dass europäischen Orchestern im Vergleich zu amerikanischen oft eine größere Klangopulenz nachgesagt wird, während die Ensembles jenseits des großen Teichs meist als technikaffiner und klarer und krisper im Klang wahrgenommen werden. In diesem Sinne mochte man die europäische Lesart aus dem Spiel des Concertgebouw Orchester heraushören, die im Zusammenspiel mit dem groß besetzten Orchester mitunter auch ein wenig zu saftig erscheinen mochte. Eine kristallinere Darstellung hätte dieser Musik noch einen Vorteil geboten.
Davon abgesehen wussten sich das Orchester mit seinen Instrumentalisten und der Dirigent bestens darzustellen. Egal, ob Holz- oder Blechbläser, Streicher oder Schlagwerk sowie Klavier und Harfe, alle meisterten ihre Aufgaben mit Bravour. So schufen sie eine ausdrucksstarke und mächtige Symphonie, die einen nachhaltigen Eindruck beim Publikum hinterließ.
Wohl um die ein wenig trauerumflorte Stimmung der Symphonie fortzusetzen oder die Gemüter nach den orchestralen Wallungen abzukühlen, gaben Concertgebouw und Järvi nach dem ohnehin tonreichen Abend noch Valse triste von Sibelius effektvoll, aber nicht schmachtend als Zugabe.