Hagen Quartett
(c) Harald Hoiffmann

Das Hagen Quartett untersucht in der laufenden Saison Streichquartette von Haydn aus verschiedenen Schaffensperioden. Dazu hatten sie auch heuer ein Werk von Schumann, nämlich sein drittes Werk in A-Dur, hinzugesetzt. Dass trotz des ähnlichen Programms zum vorherigen Konzert keine Langeweile aufkam, weiß Uwe Krusch für Pizzicato zu berichten.

Die beiden Werke von Haydn waren zwei aus der Reihe von drei unter Opus 54 bekannte, nämlich das zweite in G-Dur und das dritte in C-Dur. Die Stücke sind, wie auch die drei als Opus 55 bekannten von Johann Tost, vormals Geiger in Haydns Orchester auf Schloss Esterhazy und später Unternehmer, in Auftrag gegeben worden.

Die Quartette op. 54 nehmen eine Sonderposition in dieser Werkgruppe ein. Zum einen, weil sie nur eine Gruppe von drei und nicht wie üblich sechs Werken umfassen. Zum anderen aber haben sie so ungewöhnliche Formen, dass man sie als experimentell hören kann.

Das G-Dur-Quartett darf als das populärste von ihnen gelten. Im robusten Kopfsatz, mit einem zupackenden, wahrhaft con brio formulierten Hauptthema ausgestattet, setzte es sich zugleich auch als zweites nach Moll versetztes Thema durch und wurde dabei spannungsvoll gesteigert. Dabei lenkte es nicht vom eigentlichen Thema des Satzes in repetierten Achteln ab, die durch alle Stimmen wanderten.

Das Hagen Quartett liebkoste sozusagen die Feinheiten dieser Ausgestaltung mit besonnen dosierter Hingabe. Man merkte allen vier Beteiligten die Bereitschaft an, die Besonderheiten dieses Werkes auszukosten. Bereits hier wie im weiteren Verlauf des Abends durfte der von den Kompositionen besonders in Szene gesetzte Primarius, Lukas Hagen, glänzen.

Im langsamen Satz, einem relativ raschen Allegretto kosteten die Musiker das in gewisser Weise opernhaft Wirkende aus, indem sie instrumental singend, die voller empfindsamer Halbtöne gesetzte Huldigung Haydns an seinen Freund Mozart darlegten und dabei einige der gewagtesten Modulationen von Haydn zeigten. Das Menuett, hörbar als ein Vorläufer Walzers, bot das Ensemble gesittet und doch leichtfüßig mit dem chromatischen Solo des Cellos, gespielt von Clemens Hagen, im Trio an. Im Finale durften sie dann die von Haydn geistvoll genutzte muntere Tanzmelodie präsentieren.

Das E-Dur Quartett eröffnete mit einem vom Hagen Quartett schillernd dargebotenen ersten Satz. Im zweiten, einem Largo cantabile, übrigens dem längsten Satz der Opus Gruppe, leuchteten die Vier die komplizierte und schnelle Ornamentik mit eloquenter Geläufigkeit und Intensität so aus, dass sich dieser Abschnitt als ein Höhepunkt des Abends herausstellte. Das rhythmisch markante Menuett bot den Vorboten für das Finale, in dem sich der zweite Geiger Rainer Schmidt mit der Einführung des Themas besonders zeigen konnte.

Schumanns eigene Gedanken über die ideale Quartettform nach Haydn, Mozart und Beethoven konnte man im A-Dur-Quartett op. 41, 3 bestätigt sehen. In seinem “Streben nach schöner Form”, “Reinheit des Satzes” und vor allem aber für ein “originelles Gepräge der melodischen Führung” ergab sich hier der Kulminationspunkt. Das Hagen Quartett hauchte den Klang in der wenige Takte langen Einleitung wie aus dem Nichts ans Ohr heran. Die Musiker führten dann das angedeutete Quintmotiv und die von pochenden Achteln begleitete Liedmelodie, deren drängender Duktus sich mit Septvorhalten aufs Innigste verbindet, zur beide Themen verarbeitenden klassischen Sonatenform. Dabei machten sie aber deutlich, dass sich die frühere motivische Arbeit der Klassiker hier in einer Folge kontrastierender Stimmungsbilder auflöst. Die Variationen des zweiten Satzes, ungewöhnlich bei einem Scherzo, zeigten die Musiker ausgehend von einem unruhigen synkopischen Thema und folgenden vier sehr unterschiedliche Gestaltungen. Die Großartigkeit des langsamen Satzes holten sie mit Delikatesse und lyrischer Gesanglichkeit à la Mendelssohn hervor, bevor sie allmählich die zerrissenen Dialoge zwischen erster Violine und Bratsche, Veronika Hagen, angingen. Das Ringen von Schumann um die beste klangliche Lösung wurde hier in dieser äußerst gelungenen Darstellung nicht mehr hörbar. Im tänzerischen Rondo des Finales zeigten die Quartettmitglieder nochmals ihren in vielen Jahren gewonnene und verfeinerte Spielkultur.

Mit einer versonnen nur auf sich selbst hörenden Intimität zum einen und zum anderen auch mit großer, aber immer graziler Geste agierenden Spiel zeigten sie erneut alle Finessen ihres Könnens auf. Hatten sie beim vorhergehenden Auftritt den langsamen Satz dieses dritten Quartetts von Schumann als Dank ans applaudierende Publikum hinzugefügt, so drehten sie den Spieß jetzt um und boten nochmals den langsamen Satz aus dem am anderen Abend gespielten ersten Quartetts von Schumann zum erneuten Genießen an.

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