Zu Gast im Wiener Konzerthaus war das Orchestre de Paris mit seinem musikalischen Leiter Klaus Mäkelä und dem Pianisten Alexandre Kantorow. Uwe Krusch berichtet für Pizzicato, was das prall gefüllte Auditorium zu hören bekam.
In gewisser Weise gab es drei Werke mit Bezug zum Heimatstaat des Orchesters zu erleben. Am Anfang stand eine frühe Komposition von Maurice Ravel, seine Ouverture de féerie Shéhérazade. Das Sujet der Märchen aus Tausend und einer Nacht war damals gerade en vogue und bot für den jungen, noch weitgehend unbekannten Komponisten, eine reizvolle Aufgabe. Wie das bei noch nicht voll gereiften Komponisten geschehen kann, mochte man an diesem Werk noch Schwächen erkennen. Aber was in dieser Musik schon weit fortgeschritten hörbar war, war die funkelnde Orchestrierung, die damit weit von seinem Lehrer Fauré wegführte und gleichzeitig dessen inspirative Lehrtätigkeit zeigte. Diese positive Seite, bei allen hörbaren Aufbauproblemen, wussten das Orchestre de Paris und Klaus Mäkelä mit vom ersten Moment an gespannter Aufmerksamkeit zu heben.
Als Solistenkonzert des Abends wurde das fünfte Klavierkonzert von Camille Saint-Saëns geboten. Bereits im schlichten und anmutigen, Wärme und Heiterkeit ausstrahlenden Kopfsatz kommt ein Solist wegen der Vielzahl der zu spielenden Noten eher ins Schwitzen. Nicht so Alexandre Kantorow, der mit stupender Leichtigkeit und eben auch schlicht und anmutig im Auftreten die Kaskaden meisterte. Im Mittelsatz hoben Solist und Orchester die nach exotischen Abenteuern, Saint-Saens reiste gern, viel und weltweit, klingenden mit funkelnder Spritzigkeit hervor. Im dritten Satz waren dann rhythmische Stringenz und die lautmalerische Darstellung einer Reise zur See, für manchen ein Genuss, für andere weniger, auszumachen. Orchester und Solist blieben auch hier meist im Verbund zusammen, wobei die Komposition dem Zusammenspiel durchaus einiges abverlangte. Kantorow konnte seine überlegene Beherrschung des Werks bis zum Ende ohne Energieverlust auskosten. Doch das allein machte seinen Auftritt noch nicht aus. Vielmehr hatte man immer den Eindruck, dass er der Musik nachforschte, sanglich blieb und gestalterisch alle Möglichkeiten erkannte und auch darstellte. Mäkelä ließ das Orchester diesen Weg mitgehen, so dass bei aller auch vorkommenden kraftvollen Geste vor allem das gemeinsame Aushorchen im Fokus stand.
Der Solist dankte dem intensiven Applaus des Publikums mit zwei Zugaben. Mit der ersten, Mon cœur s’ouvre à ta voix aus Samson et Dalila, ebenso von Camille Saint-Saëns, das in einer Bearbeitung von Nina Simone zu hören war, blieb er sowohl dem Tonsetzer treu wie auch seinen Gestaltungsidealen. Mit der zweiten Zugabe wies er auf den zweiten Programmteil hin. Wiederum sehr nuanciert und nur, wo es angebracht war, mit großem Auftritt, spielte er das Finale aus dem Feuervogel, bearbeitet für Klavier von Guido Agosti.
Womit wir bei der vollständigen Musik zu L’oiseau de Feu von Igor Strawinsky angekommen wären, die das Konzert beschloss. Diese erste Komposition für das in Paris angesiedelte Ballett von Serge Diaghilev führte den Komponisten auf Dauer in diese Metropole.
Mäkelä gönnte diesem Feuervogel alle Zeit der Entfaltung zu voller Größe. Mit anfänglich ruhiger Gangart, bezogen auf Tempo und Dynamik, lotete er die vielen Facetten dieser Musik aus und ließ erst spät die Laustärke aufblühen. Diese Darstellung zog eine sofort in ihren Bann, was am Ende auch mit frenetischen Beifall des Publikums honoriert wurde. Goutiert ein Auditorium oftmals grelle und laute oder auch rhythmisch prägnante Momente, so konnte man hier doch den angespannten Atem aller Beteiligten während des ganzen Werkes, also auch der weniger plakativ ansprechenden Augenblicke, bemerken.
Mag man nicht als erstes an das Orchestre de Paris denken, wenn man nach großen Orchestern gefragt wird, so konnten sie doch hier unter dem Dirigat, Stabführung kann man mangels eines solchen nicht sagen, von Mäkelä, in Höchstform aufspielen. Hatte der Finne anfangs bei Ravel noch ein wenig unmotiviert ständig in den Knien gefedert, was nicht so recht zur Musik passen wollte, so fokussierte er hier so auf die Musik, dass solche Eskapaden nicht mehr auftraten. Er hatte das groß besetzte Kollektiv stets bestens im Griff oder besser gesagt, bot seine koordinierende Anleitung den Anreiz für die Musiker, ihm höchst konzentriert und freiwillig zu folgen. So gestalteten sie eine Dreiviertelstunde aus Spannung und changierenden Farben, mit Geschmeidigkeit und ausgefeilter Artikulation. So kann Musik faszinieren.