Ein Konzert als verspätete Gabe zum 81. Geburtstag schenkte das ORF Radio-Symphonieorchester Wien, kurz RSO Wien, dem Jubilar HK Gruber, der als Komponist und Dirigent beteiligt war. Aus seinem reichen Katalog waren Werke aus drei Phasen seines Schaffens zu hören, so auch ein Trompetenkonzert mit Selina Ott als Protagonistin. Wie die Genannten das Geschenk darboten, hörte Uwe Krusch für Pizzicato.
Heinz Karl Gruber, nur als HK Gruber bekannt, mag man schon als Multitalent bezeichnen. Zu seinen beiden Seiten Dirigent und Komponist am Abend war er früher auch Kontrabassist eben in diesem Orchester, was sich am Ende auch in persönlichen Handschlägen für die ehemaligen Kollegen in der Gruppe manifestierte. Daneben mag man noch die Facette des Chansonniers nennen, die hier aber nicht zum Tragen kam. Und er konnte sich auch an diesem auch Abend als Publikumsliebling fühlen.
Schon in seinem frühen Werk Manhattan Broadcasts, etwa mit zwanzig Jahren geschaffen, wurde die bei diesem Tonsetzer immer vorhandene Zusammenfügung ernster Musik mit leichterem Ton und parodistischen oder zumindest augenzwinkernden Momenten angelegt. Besetzung und Tonfall dieses zweiteiligen Werkes sind auf ein Unterhaltungsorchester ausgerichtet, das ebenso beschwingt wie konzis aufspielt. Effekte und Affekte, Linien und Punkte wurden genau und prägnant gesetzt. Während der erste Satz, Tammany Hall, auf die Zentrale der Demokratischen Partei der USA und damit Korruption Bezug nimmt, zeigt „Radio City“ auf den mit 6000 Plätzen größten Konzertsaal der Welt, auch in New York, genauer Manhattan. Beginnend mit einem langsamen Blues steigerte sich dieser Satz erst langsam, um mit fanfarenartigem Blech zu enden. So zeigte sich auch hier schon, dass HK Gruber über weite Strecken eher langsame und sorgfältig aushörbare Passagen komponiert und schnelle und sehr laute Momente nur sparsam und gewitzt einsetzt.
Das RSO Wien war von Anfang mit Elan und Akkuratesse dabei und folgte dem Dirigat des immer charmant lächelnd fordernden Dirigenten HK Gruber bereitwillig und gekonnt.
Im Konzert für Trompete und Orchester, Aerial genannt, etwa dreieinhalb Jahrzehnte später als Manhattan Broadcasts entstanden, gesellte sich Selina Ott hinzu. Auch diese musste sich hier als Multitalent präsentieren, hatte sie nicht nur ihre sozusagen normale Trompete normal zu spielen, sondern diese auch mit Dämpfern, herausgenommenen Zügen und zum Spiel auch noch zu singen. Und in anderen Momenten musste Selina Ott mit Portamenti spielen, die von der notierten Tonhöhe abweichen, was eine weitere Klippe darstellte. Zusätzlich hatte sie mit Kuhhorn und Piccolotrompete noch zwei weitere Instrumente im Wechsel zu handhaben, was ihr sicht- und hörbar exzellent gelang, jedenfalls zeigte sie keine Schwächen bei den Wechseln.
Als weiterer Aspekt von Aerial war der Schwierigkeitsgrad nicht nur für die Solistin, sondern auch für das Orchester zu erleben. Kommt schon jeder Trompetensolist an seine Grenzen, so hat das sehr große Orchester, beispielsweise mit vier Saxophonen und einer riesigen Schlagzeuggruppe besetzt, mit einer komplexen Begleitung umzugehen, was dem RSO Wien ohne jegliche Makel vorzüglich gelang. Die Transparenz der Komposition ermöglichte es der Solotrompete, sich locker von dieser komplexen Begleitung abzuheben. Hier wurden die Komponenten des Schaffens noch deutlicher. Neben einer theatralischen Dimension, die sich beim Zuschauen erschloss, und der unbändig geforderten Virtuosität bot Aerial auch einen Sinn für Humor und Spaß, um mit dem Publikum zu kommunizieren.
Selina Ott erwies sich als fantastische Besetzung, die trotz ihres äußerlich zurückhaltenden Auftretens alle Register ihres Spiels, seien sie technischer oder gestalterischer Art, zu ziehen wusste und damit Dirigent, Orchestermitglieder und Publikum für sich zu gewinnen wusste.
Als längstes Werk des Abends und als Erstaufführung in Österreich erklangen die Short Stories from the Vienna Woods. Dabei handelt es sich um Symphonische Szenen aus der Oper Geschichten aus dem Wiener Wald, die HK Gruber nach dem gleichnamigen Theaterstück von Ödön von Horváth verfasst hat. Die sieben Orchesterstücke aus der Oper zeigten in zugespitzter Form die menschlichen Abgründe des Werkes vor dem Hintergrund des erstarkenden Nationalsozialismus.
Mit einer sehr großen Besetzung schuf Gruber ein äußerst farbreiches Tableau, in dem Verweise auf andere Werke nur die Grundlage bilden, um zum Beispiel einen Walzer zu formen, der trotz seiner musikalischen Eingängigkeit auch immer rumpelte und kratzte und so hinter dem Glanz eine Kommentierung zeigte.
Das RSO Wien agierte in hochklassiger Spiellaune und Qualität. Der Dirigent HK Gruber antwortete mit exaktem und anspornendem Dirigat. Die Beteiligten zeigten große Zufriedenheit, auch noch aus dem angeregten Plausch vor dem Bühnenausgang erkennbar. Und das Publikum feierte den Jubilar. Herzlichen Glückwunsch nachträglich auch von dieser Seite.