Vladimir Jurowski
(c) Sheila Rock

Nach nicht einmal zwei Jahren erklang erneut die 6. Symphonie von Gustav Mahler im Wiener Konzerthaus, damals von Gästen vorgetragen. Als Gast stand jetzt Vladimir Jurowski vor den Wiener Symphonikern, also einem heimischen Ensemble. Für Pizzicato erlebte Uwe Krusch das Konzert.

Mahler, der von Nietzsche tief beeindruckt war, wenn auch sein Bezug zu ihm im Laufe seines Lebens schwankte, mag den in der Überschrift genannten Gedanken des Philosophen mit Kraft und Virtuosität in dieser sechsten Symphonie umgesetzt haben. Aber vieles, das in dieses Werk hineininterpretiert wird, bleibt zu Recht offen. Die Symphonie spricht durch sich selbst.

Musikalisch bietet Mahler im ersten Satz eine Welt an, die er zwischen Leben und Tod hin und her führt, in den langsamen Sätzen die Frage bewusst offenlässt und erst im letzten, halbstündigen Satz den Tod die Oberhand gewinnen lässt. Gleichzeitig setzte Mahler als klassische Struktur im Kopfsatz einen Sonatensatz mit zwei Themen und Wiederholung der Einleitung um, aber die Gestaltung des musikalischen Materials war und ist für manchen vielleicht heute noch, unbegreiflich neuartig.

Jurowski und die Wiener Symphoniker näherten sich dem Werk mit hochintensivem Ansatz, der nur vereinzelt einen unbeteiligt wirkenden Geiger auf seinem Stuhl herumhängen sah. Dabei hatte man von Anfang an den Eindruck, dass die dunkle Seite des Stückes siegen würde. Die positiven Seiten wie das Porträt seiner Frau Alma leuchteten immer nur als Inseln in dunkler See auf.

Dabei hatten Jurowski und die Symphoniker jederzeit den von Mahler großbesetzten, doch auch durchsichtig und teilweise filigran eingesetzten Orchesterapparat beeindruckend strukturiert im Griff. Jurowski verstand es, auch bei den Tutti Positionen die vielen eingesetzten Instrumente immer noch so miteinander zu arrangieren, dass ein klares und die Details zeigendes Bild zu hören war und keine verschwommene Masse.

So entwickelten sie zusammen ein Gemälde epischer Dimension, das durch eine abwechslungsreiche und rasche Folge von Episoden eine fortlaufende Erzählung wurde. Dabei war die Untergliederung in vier Sätze nur eine äußerliche formelle, die den Fluss des Geschehens aber nicht unterbrach.

Das Orchester zeigte sich bestens disponiert und beeindruckte mit größtenteils exzellenten Leistungen. Man mag kaum einen Einzelnen hervorheben, da alle zu würdigen wären. Allein die in diesem Werk auffallend gern eingesetzte Basstuba und der Solohornist und sein Kollegium mögen stellvertretend für hocherfreuliche Klangerlebnisse erwähnt sein.

Das Orchester dankte dem Dirigenten, der fast alle Solisten und Gruppen zu einem sie würdigenden Einzelbeifall aufstehen ließ, lange und intensiv. Das Publikum wiederum wusste mit anhaltendem Applaus seine tiefe Zufriedenheit zu bekunden.

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