Konzerthaus Wien,
(c) Victoria Coeln

Die Wiener Philharmoniker traten im Wiener Konzerthaus mit Gastdirigent Alain Altinoglu auf und brachten nicht nur mit Sophie Dervaux eine hauseigene Solistin mit, sondern hatten auch zwei Werke auf den Pulten, die sie selber noch nie gespielt hatten. Uwe Krusch lauschte für Pizzicato, wie diese beiden Kompositionen bewältigt wurden und danach das große Orchesterbravourwerk Symphonie fantastique.

Am Anfang erklang ein ganz der Natur verbundenes Werk, das am Abend zuvor seine Uraufführung erlebt hatte. Dabei handelte es sich um „April. Ballade op. 39 für großes Orchester“ von Bruno Hartl. Der Komponist, der viele Jahre auch Paukist des Orchesters war, hatte einen Werkzyklus begonnen, der alle zwölf Monate umfassen sollte. Der in seinem Schaffen neunte Monat, der April, wurde dann das letzte vollendete Stück dieser Reihe. Mit 25 Minuten bot es im Hinblick auf neue Musik einen weit über ein Alibi hinausgehenden Umfang. Doch auch textuell und strukturell zeigte sich der April als ein weitausholendes Epos, das aus dem Einklang mit der Natur und hier besonders der Welt der Berge, noch genauer der Alpenregion um die Raxalpe, Bruno Hartl die Inspiration lieferte. So waren Annäherungen etwa bei der Instrumentation an die Alpensinfonie von Richard Strauss kein Zufall, sondern auch damit begründet, dass Strauss für Hartl wichtig war. Das vor allem im Schlagwerk, aber auch sonst groß besetzte Orchester widmete sich dem Stück mit Hingabe in der technischen Ausführung sowie der gestalterischen Ausformung. Dabei kamen ihm auch die Ideen Hartls zu Hilfe, der das Werk explizit dem Klang der Wiener Philharmoniker auf den Leib geschrieben hatte. Zu hören waren neue spezifische Instrumentenkombinationen und auch rhythmisch interessante Momente sowie eine Reihe interessanter Formen und motivischer Verarbeitungen, die die persönliche Handschrift des Komponisten prägend zeigten. Die Wiener Philharmoniker gestalteten unter Stabführung von Alain Altinoglu diesen musikalischen Monat klug disponiert mit der Bereitschaft, die Vorzüge des Werkes zu heben und zu zeigen.

Alain Altinoglu
(c) Fred Toulet

Ein weiteres für die Philharmoniker erstmals auf den Notenständern liegendes Werk war das Konzert für Fagott, Streichorchester, Harfe und Klavier von André Jolivet. Dieses eher neoklassizistische, ein wenig auch atonal angehauchte Werk, bot eine Partitur, die in einer Viertelstunde auch für das Orchester eine fordernde Aufgabe bereitstellte. Doch die eigentlich schwierigen Aufgaben hatte das solistische Fagott zu bewältigen. Mit seinem französischen Idiom lieferte das Stück ein einnehmendes Ambiente, um dann mit virtuosen Anforderungen, angefangen bei einem nahezu pausenlosen Strang an Noten, alle Kräfte herauszufordern. Sophia Dervaux, normalerweise Solofagottistin der Wiener Philharmoniker, ließ die Töne aus ihrem Instrument heraus tanzen und jubilieren und kostete das Werk mit Schwung, aber auch mitreißender gestalterischer Linie aus.

Wer vermutet hätte, dass ihr nach diesem Parforceritt die Puste ausgegangen wäre, sah sich getäuscht: Mit der Caprice Nr. 24 in a-Moll von Nicolò Paganini in der Bearbeitung für Fagott solo mochte sie selbst den eine oder anderen Geiger geschockt haben, die diese und die anderen Capricen nicht so elegant und leichthändig auf der Violine präsentieren können. Da durfte man einfach nur staunen und genießen.

Mit der Symphonie fantastique. Episode de la vie d’un artiste von Hector Berlioz boten die Wiener Philharmoniker dann ein bekanntes Werk, dass mit seiner mitreißenden bildreichen Gestalt und der alle Orchesterstimmen fordernden Partitur eines der Stücke ist, mit denen ein Ensemble glänzen kann, wenn es denn kann. Und natürlich konnten sie. In Alain Altinoglu hatten die Philharmoniker einen Dirigenten als Gast, der mit seinen Händen sicher und gestaltend durch den ganzen Abend leitete. Er verstand es, eine fantastische Mischung aus fein ausgefeiltem diskretem kammermusikalischem Ansatz und der großen und effektvollen Geste herauszuholen, so dass alle Seiten des Werkes instrumental abgesichert und auch interpretatorisch mit beeindruckender Leistung zu hören waren.

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