Zwei Komponisten boten die Wiener Symphoniker jüngst auf ihrem Programm an, die beide nicht in ihre Zeit zu gehören schienen, Camille Saint-Saëns und Erich Wolfgang Korngold. Wie diese beiden zusammen klangen, konnte Uwe Krusch für Pizzicato wahrnehmen.
Camille Saint-Saëns verfolgte rückwärtsgewandte Musiktheorien und argumentierte beispielsweise gegen Debussy. Erich Wolfgang Korngold schuf mit seiner Mischung aus romantischem Anschein vermischt mit amerikanischem Stil, Charakteristika der Filmmusik, und der Betonung von Rhythmik und Klangfarbe statt ausgeprägter thematischer Arbeit sowie mit neuartiger Instrumentierung eine neue Stimme, die gleichwohl als Rückschritt für die in Europa herrschende Neue Musik galt.
Eröffnet wurde der Abend mit der Danse macabre. Mit dieser eher kultiviert als grauenvoll geformten Musik bot sich gleich ein Stück von Saint-Saëns, das trotz seiner Kürze mit einer vielschichtigen, auch technisch und koordinatorisch fordernden Komposition aufwartete. Gastdirigent Bertrand de Billy hatte von Anfang den Tanzmeisterstab sicher in der Hand. So übernahm er sofort die gestalterische Leitung und wusste die Register des Orchesters sinnstiftend zu ordnen. Auf dieser Basis konnte das an diesem Abend deutlich besser disponierte Orchester schon früh ein prägnantes Stück formen. Dabei trat erstmals an diesem Abend Konzertmeister Anton Sorokow solistisch hervor.
Auch das zweite Werk stammte aus der Feder des Franzosen. Mit dem zweiten Klavierkonzert hatte er ein anfänglich wegen seiner sprunghaft abwechslungsreichen Struktur abgelehntes Werk geschaffen, das bis heute aber geradezu ein Publikumsmagnet ist. Solist war Alexandre Kantorow. Als erster französischer Gewinner des Tchaikovsky-Wettbewerbs bewies er auch an diesem Abend, dass er nicht nur technisch äußerst versiert ist, sondern darüber hinaus ein Künstler, der sich in die Musik hineindachte und -fühlte. Dabei konnte er mit einer weiten Spanne an technischer Raffinesse aus ebenso forschen Zugriff wie auch delikatem Anschlag die Schichten des Soloparts aufzeigen. Dieser differenzierte Blick ließ das Werk aus solistischer Sicht frisch erstrahlen.
Die Begleitung durch das Orchester, sicherlich nicht eine der leichtesten Begleitpartien, gelang bis auf wenige Verhaspelungen zu einer aktiven und belebten Mitgestaltung des Konzertes.
Für den überschwänglichen Applaus bedankte sich Kantorow, sanft animiert vom Dirigenten, mit der Valse triste von Ferenc Vecsey in der Transkription für Klavier von György Cziffra.
Das eigentliche Orchesterparadestück war dann die Symphonie von Erich Wolfgang Korngold, die hier vor Ort erst ihre sechste Aufführung erlebte. Dieses gern als opulent gekennzeichnete Stück ist mit großer Besetzung und gestalterischen Finessen eine große Herausforderung sowohl in der technischen Bewältigung wie auch der Formung der strukturellen Gestalt. Bertrand de Billy, immer mit aufmunterndem Gesichtsausdruck die Kräfte mobilisierend, zeigte Wege und Bahnen, diese ebenso spröde wie auch atemberaubend spannende Komposition bis zum Ende gestalterisch zu formulieren.
Mit dem rhythmisch markanten ersten Satz, der ebenfalls einen Totentanz bot, zog sich die sonst manchem einzelnen Werk immenente zyklische Struktur hier durch das ganze Konzert, hatte doch eben ein solcher Tanz das Konzert eröffnet. Dabei konnte man bei Korngold wirklich einen von Rissen durchzogenen Totentanz hören. De Billy und den Symphonikern gelang es, diese Schrunden aufzublättern; und zwar mit gestalterischen Mitteln und nicht etwa fehlender Beherrschung der Materie. In dem Scherzo zeigten die Beteiligten dann die Raffinesse dieses Satzes, bevor sie im langsamen Satz, mit dem einzigen Filmmusikzitat, den Trauermarsch zu einer ebenso intensiven wie tiefgründigen Prägnanz führten. Im Finale ließ das Orchester, nachdem es die Keime zyklischen Rückblicks überwunden hatte, mit triumphfahler Geste das Werk ausklingen.
Nach einem weniger ansprechenden Konzert zuvor zeigten sich die Wiener Symphoniker an diesem Abend konsolidiert, was das Publikum auch zu honorieren wusste.