An zwei Abenden war das Oslo Philharmonic im Wiener Konzerthaus zu erleben. Im ersten Konzert spielten sie Brahms pur. Am zweiten Abend war ein gemischtes Programm mit Werken von Weber, Sibelius und Zemlinsky angesetzt. Uwe Krusch berichtet für Pizzicato von beiden Auftritten.
Beim Brahms-Programm konnte man Chefdirigent Klaus Mäkelä in einer Doppelrolle erleben. Wie schon der Titel nahelegt, führte er das Orchester. Aber darüber hinaus war er als zweiter Solist am Cello neben dem Geiger Daniel Lozakovich im Doppelkonzert zu hören. Dieser Beginn eines Gastspielkonzertes zeugte bereits von einem gesunden und auch berechtigten Selbstvertrauen des Ensembles. Denn Mäkelä musste hier als Dirigent nur mit ein zwei Dirigieranweisungen jeweils den Beginn markieren. Den Rest der Gestaltung organisierte das symphonisch, aber reduziert besetzte Orchester selber. Vom Resonanzpodest aus mit dem Cello in der Hand wandte sich Mäkelä ab und an aufmunternd mit einem anregenden Blick an die Musiker, aber mehr war nicht nötig.
Im Übrigen tauschte er sich ständig mit seinem Partner Lozakovich aus, soweit sie gemeinsame Partien zu spielen hatten. Im Abendprogramm war ausgeführt worden, dass Brahms sich bei dem Werk am Modell des barocken Concerto grosso mit Gruppen, nämlich einem ebenbürtigen Orchester und zwei Solisten orientierte und weniger am auftrumpfenden Solistenkonzert seiner Vorgänger, nicht ohne seine eigenen davon abweichenden Formvorstellungen umzusetzen. In diesem Sinne fasten auch die beiden Solisten das Werk auf. Sie zogen sich auf eine eher kammermusikalisch inspirierte Linie zurück, die auch Töne in allerleisesten Schattierungen erlaubten, so dass sich das Orchester dann auch zurücknehmen musste, was mühelos gelang.
Lozakovich und Mäkelä zeigten einen charmant kurzweiligen Dialog in ihren Solopartien, den sie ohne aufzutrumpfen oder zu forcieren gestalteten. Mag man das Konzert sonst markanter und kräftiger gewohnt sein, so boten die beiden Protagonisten hier eine eher verinnerlichte Darstellung mit einem feinen Sinn für Nuancen. Der musikalische Ansatz war ihnen wichtiger als der musikantische.
Nach der Pause durfte sich Mäkelä ganz als Dirigent auf die 1. Symphonie von Brahms vor dem dann großsymphonisch besetzten Ensemble konzentrieren. Mit jugendlichem, manchmal fast schalkhaft blickendem Wesen, formte er zusammen mit seinen Osloern eine überzeugende Interpretation dieses Werkes. Schon für den Beginn hatten sie eine tragende Lösung einstudiert. Denn der die ersten acht Takte überspannende Gestaltungsbogen wurden hier in den Streicherstimmen mit Richtungswechseln der Striche zu unterschiedlichen Zeiten umgesetzt, so dass immer ein voller Klang erreicht wurde, der die gestalterische Verbindung dieser Eröffnungstakte sicher stellte. Auch sonst boten das Oslo Philharmonic und Mäkelä eine spannende Interpretation dieses Werks von Brahms, die auch den feinen leisen Momenten nachhorchte und doch auch die ausdrucksstarken großen Passagen nicht zu kurz kommen ließ. Neben den hervorragenden Holzbläser- und Hornsoli, nicht zu vergessen Konzertmeisterin Elise Båtnes mit ihrem Extra, fiel vor allem die knackig scharf auftretende Pauke ungewöhnlich auf. Die anfangs noch aufgesparte Energie entwickelte sich im Laufe des Werkes zu eiern kraftvollen Aussage.
Am folgenden Abend gab es, abgesehen vom fehlenden Solokonzert, ein klassisch strukturiertes Programm mit der Ouvertüre zu Oberon von Weber, an Stelle des Konzertes die selten zu hörende Tondichtung Tapiola von Sibelius sowie noch die Symphonische Dichtung Die Seejungfrau von Zemlinsky.
Gleich in der Ouvertüre setzte sich der bereits gezeigte Stil von Mäkelä fort. Klare Zeichengebung, die mitunter für das zusehende Publikum ein wenig auffällig ausfiel, aber immer an der Musik blieb, bot er für pointiert gezielte Interpretationen, die die Effekte herauskitzelten und besonders deutlich machten, aber immer aus dem jeweiligen Werk heraus begründbar waren. Mit der Herangehendweise erzielte er aber, um das deutlich zu machen, in jede Richtung außerordentliche Strahlkraft, waren es knallige Momente wie der Orchesterschlag nach der Einleitung in der Ouvertüre wie auch sorgsam und feinfühlig ausgekostete leise und leiseste sowie ruhige Momente an anderer Stelle.
Die symphonische Dichtung Tapiola von Jean Sibelius zeigten Mäkelä und seine Osloer als ein, der geneigte Leser verzeihe die Wortwahl, als spooky, aber wirklich gruseliges Werk. Die dem Waldgott Tapio aus dem Kalevala-Epos gewidmete Tondichtung zeigt Sibelius als einen vorwärts gerichteten Komponisten, der die dunkle inhaltliche Seite bestens mit seinen gestalterischen Ideen zu verbinden wusste. Sibelius hatte dem Stück einen Hymnus vorangestellt, „…düstre Wälder/uralt geheimnisvoll, … Waldgeister weben heimlich in dem Dunkel.“ Allein schon die Einleitung versetzte das Publikum in das Sujet des unheimlichen Hymnus, da sie bereits eine den Rücken kalt hinunterlaufen lassende Stimmung erzeugte. Weitere Emotionen wurden auch in den folgenden Abschnitten des Werkes durch die Interpretation evoziert.
Den Abschluss bildete, nach dem Spätwerk Tapiola, ein frühes von Zemlinsky, das aber ebenso in die Zukunft wies, bildete er doch in Die Seejungfrau erstmals seinen kommenden Personalstil aus. Das dichte und große, sowohl an Dauer wie auch Besetzung, Werk bot dem Orchester erneut Gelegenheit, seine vorzüglichen Qualitäten zu zeigen. Neben vielen solistischen Bläserpassagen durfte sich erneut die erste Konzertmeisterin Elisa Båtnes zeigen, da es sich auch bei diesem Werk um ein verstecktes kleines Violinkonzert handelt. Dirigent und Ensemble wussten ihre Konzentration und Frische bis zum Ende zu bewahren und so auch dieses Werk zu einer prachtvollen Interpretation auszuformen. Auch diese Stück wurde wieder mit großer Begeisterung vom Publikum gefeiert.