Seit Oktober hat Daniel Harding als Musikdirektor das Orchester dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia in Rom übernommen. Wie weit nach dieser kurzen Zeit schon seine Handschrift zu hören war oder noch die seines Vorgängers Antonio Pappano mitklang, lässt sich schwer ermitteln. Dass aber an zwei Abenden das Orchester eine großartige Leistung bot, kann Uwe Krusch für Pizzicato bestätigen.
Dazu kamen die Geigerin Lisa Batiashvili im ersten Konzert und am zweiten Abend als Singstimmen die Wiener Singakademie sowie als Solisten die Sopranistin Masabane Cecilia Rangwanasha, Elizabeth DeShong, Mezzosopran, der Tenor Saimir Pirgu und für die Basspartie Tareq Nazmi.
Das erste Konzert bot ein recht klassisch aufgebautes Programm, beginnend mit Prélude à l’aprés-midi d’un faune von Claude Debussy. Mit einer leichthändig, aber nicht leichtfertig verwirklichten Deutung dieser impressionistischen Traumlandschaft boten Harding und sein Orchester das Stück in einer verführerisch vielschichtigen und fein gestaffelten Weise an.
Als Solokonzert hatten sie für Lisa Batiashvili das 2. Violinkonzert von Serge Prokofiev aufgelegt. Trotz nicht komponierter Solokadenzen wusste die Solistin ihre Partien herausragend umzusetzen und zu zeigen. Äußerlich ein wenig konzentriert abweisend wirkend, erreichte sie die exzellente Gestaltung, die dem Stück auch Wärme entlockte und gleichzeitig wie nebensächlich und ohne unnützes Gehabe die Komposition auf höchstem Niveau formte. Mit dem Dirigenten und dem aufmerksamen Orchester auf engster Linie konnte sie das Konzert einschränkungslos nach ihren Vorstellungen gestalten. So gelang eine beeindruckende Interpretation.
Lisa Batiashvili dankte dem Publikum für den stürmischen Applaus zusammen mit den Streichern der Accademia mit ‘Ich ruf zu dir’, BWV 639, von Johann Sebastian Bach, in der Bearbeitung des Schweden Anders Hillborg.
Die den ersten Abend abschließende 2. Symphonie von Brahms gelang in einer lange nicht gehörten intensiven, fließend drängenden mit sinnfällig geatmeten Tempogestaltungen Darstellung, die vom ersten bis zum letzten Ton nie den Faden abreißen ließ und so vollends überzeugte. Harding lenkte das Orchester immer auf den großen Bogen und führte zu intensiv spannungsreichen Momenten sowie zu köstlich kammermusikalisch aufgefächerten Passagen feiner Lesart. In diesem Ensemble bewegten sich alle Gruppen auf sehr hohem technischem und interpretatorischem Niveau, das sie nutzten, um alle Aspekte der Gestaltung auszunutzen.
Mit dem Intermezzo aus dem 3. Akt aus Puccinis Manon Lescaut kamen sie für die Zugabe sozusagen nach Hause, also in die italienische Musik. Auf diesem sicheren Terrain boten sie nochmals ihre stark entwickelten Fähigkeiten zur Interpretation an.
Am Folgeabend kam ebenfalls Italienisches zu Gehör. Dank des Standortvorteils hatten Harding und das Orchester dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia die Möglichkeit, mit der Wiener Singakademie einen Chor hinzuziehen und von Giuseppe Verdi die Messa da Requiem aufzuführen.
Auch hier führte Harding die Musik spannungsreich fließend, aber ohne die Momente, die man als opernhaft hören könnte, dementsprechend zu forcieren. Sie wurden ausdrucksstark und markant, aber nicht überbordend musiziert. Vielmehr gab er der Musik die Freiheit und Zeit, sich zu entwickeln und ließ dem Publikum so die Möglichkeit, geradezu kontemplativ die geistige Sphäre des Werkes zu erfassen. Statt einer Häufung gewaltiger Klangmassen erklangen durchaus auch leise und leiseste Stellen, sowohl im Orchester wie auch bei den Sängern. Durch die starke Verinnerlichung und eine sehr spannungsreiche Ausgestaltung kam es zu nachhaltigen Erlebnissen.
Das Gesangquartett zeigte sich im Ganzen exzellent und in mit großer Homogenität. Lediglich im vorgelagerten Requiem e Kyrie setzten die Solisten zu übertrieben laut formuliertem Gesang an. Vielleicht war die Probenzeit im Bezug auch auf den Saal zu kurz bemessen, so dass es hier noch zu einem gegenseitigen Kräftemessen von Orchester, Chor und Solisten kam. Das änderte sich aber schnell bereits beim Dies irae, dass erst nach einer innehaltenden Einleitung seine markante rhythmische Stärke entfaltete.
Von den Solisten hinterließen die Sopranistin Masabane Cecilia Rangwanasha und der Bass Tareq Nazmi einen uneingeschränkt positiven Eindruck. Mezzosopranistin Elizabeth DeShong und Tenor Saimir Pirgu standen dem nicht viel nach, waren aber im Timbre bzw. des metallischen Hauchs in der Stimme nicht so einnehmend zu hören.
Der Chor präsentierte sich als hoch ambitioniert. Mit transparenter und ansprechender Diktion sowie homogenem Klang bei rhythmisch ausgeprägter Sicherheit zeigte sich das vielköpfige Ensemble, das von Heinz Ferlesch vorbereitet war, so hervorragend präpariert und präsent, dass sie den anderen Beteiligten fast den Rang absangen.
So fügten sich alle Beteiligten zu einer gestaltungsfreudigen Gemeinschaft, die diese große Messa da Requiem beeindruckend und überzeugend darstellten. Zusammen mit dem symphonischen ersten Abend hatte das Orchester dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia aus Rom zusammen mit seinem neuen Musikdirektor eine tollen Eindruck hinterlassen, der darauf hoffen lässt, dass sich die neue Verbindung noch vielversprechend entwickelt.