Bei den vom Italienischen ins Deutsche übertragenen Worten « Des Schicksals hohe Wechselfälle verachtet der ungerührte Sieger… Er lenkt viel und hat viel noch vor …“ mag man kurzfristig an eine Huldigung für einen zeitgenössischen Imperator gedacht haben. Aber Uwe Krusch war für Pizzicato in einem Konzert des Festivals Resonanzen im Wiener Konzerthaus und erfuhr Anderes.
Und die musikalische Huldigung erfolgte ursprünglich in Prag im Jahre 1723 zum Namenstag von Karl VI., römisch-deutscher Kaiser und Erzherzog von Österreich sowie Souverän der übrigen habsburgischen Erblande. Im Programm war der Abend kurz als Habsburgerpropaganda angesagt.
Eine tiefergehende Erläuterung für dieses Schlagwort konnte man vor dem Konzert in einem Gespräch von Elisabeth Hilscher und Erwin Barta erhalten. Die Musikwissenschaftlerin und Historikerin an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sowie der Archivdirektor des Wiener Konzerthauses Erwin Barta zeigten in ihrer sehr informativen Unterhaltung Streiflichter zum täglichen Leben der Musiker in der Zeit der Habsburger, aber auch den politischen Hintergrund. Denn auch dieses Werk war dazu gedacht, die Stellung und Rolle und damit Bedeutung des Herrscherhauses in der Welt in geeigneter Weise darzustellen.
« Il Trionfo della fama. Serenata per musica » von Francesco Bartolomeo Conti auf ein Libretto von Francesco Fozio bot 100 Minuten feinste Musik. Damals von der Hofkapelle von Karl VI darg.eboten, erlebte das Werk seine heutige Aufführung durch die Accademia Bizantina unter der Leitung von Ottavio Dantone. Dem Orchester standen als Sänger Contralto Benedetta Mazzucato in der Rolle von Genio, also Genius, Sopranistin Arianna Vendittelli als Gloria (Herrlichkeit), in der Hauptrolle Countertenor Nicolò Balducci als Fama (Ruhm), Tenor Martin Vanberg in der Rolle des Destino (Schicksal) sowie Bariton Christian Senn, Valore (Tapferkeit) zur Seite. Trotz kurzer und weit auseinander liegender Einsätze nur für den Eingangs- und den Abschlusschor zeigte sich der Purcell Chor in der Einstudierung von György Vashegyi exzellent präsent, homogen und klangschön im Auftritt. Damit war schon mal ein großartiger Rahmen gesetzt, um die weiteren Teile einzubetten.
Das auf zeitgenössischen Instrumenten und mit der Technik der Zeit spielende Orchester mit 25 Mitgliedern bot hochgradig aktiv und aufmerksam mitgestaltend seine Leistung unter dem vom Cembalo aus erfolgenden Dirigat von Ottavio Dantone an. Die Accademia Bizantina trug mit ausgebreiteten Instrumentalteppich die Sänger wunderbar über ihre Rezitative und Arien. Konzertmeister Alessandro Tampieri durfte neben seinem großen Solo in der Arie ‘Spira il ciel’ der Herrlichkeit viele kleinere Sonderaufgaben lösen, was er mit der Sicherheit des Ausdrucks und makelloser Technik souverän umsetzte. Besonders hervorheben war noch die Arie der Tapferkeit ‘L’Asia crolla, Afrikca teme’, bei der sich die beiden hier solistisch geforderten Fagottisten, Giulia Genini und Alessandro Nasello im Wettstreit mit der Singstimme und dem Continuo die Noten mit nicht nachlassender Energie gegenseitig nur so zuwarfen, was den Eindruck tänzerischer Leichtigkeit und ein besonderes Klangerlebnis erzeugte, wie man es selten zu hören bekommt. Doch sollen diese beiden Heraushebungen nicht darüber hinwegtäuschen, dass alle Beteiligten Instrumentalisten mit überzeugender Verve diese Musik zu einem wahren Hörgenuss zubereiteten.
Auch die fünf solistischen Gesangsstimmen boten überwältigende Proben ihres Könnens, so dass sich auch von dieser Seite der Abend von der besten Seite zeigte. So wie sie die Tugenden zu verkörpern hatten, zeigten sie sich auch bei der Ausführung tugendhaft.
Countertenor Nicolò Balducci verstand es, in seiner Hauptrolle virtuose Passagen ebenso elegant so bewältigen wie er auch betörend lyrisch zu singen vermochte, wobei er wunderbar artikulierte, so dass er quasi auch seinen eigenen Ruhm als Sänger förderte.
Contralto Benedetta Mazzucato in der Rolle des Genius hatte nur an wenigen Punkten eine opernhaft dramatische Stimme, wusste ihr Gesangsorgan jedoch im Grunde sicher und rollenbewusst zu formen.
Die Sopranistin Arianna Vendittelli machte mit einem charmanten Timbre, guter Artikulation und fein abgestimmter Linienführung ihrer Rolle als Herrlichkeit alle Ehre.
Tenor Martin Vanberg hatte nicht nur das Schicksal zu singen, sondern als Nordeuropäer auch das, aus einem fremden Sprachraum zu kommen, zu bewältigen. Das merkte man ihm aber überhaupt nicht an. Vielmehr brachte er mit dezent leuchtender Stimme und klarer Diktion seinen Anteil über die Rampe.
Bariton Christian Senn, schon lange in Italien lebend, hatte kein Sprachproblem, so dass er Tapferkeit nur als Ausgestalter seiner Partien zeigen musste. Das konnte er mit sonorem Klang und ausgeprägter Darstellung ohne Probleme durchführen.
Dank der herausragenden Einzelleistungen, dem exquisit ziselierten Zusammenspiel und einer sehr abwechslungsreich komponierten Musik aus der Feder von Francesco Bartolomeo Conti entpuppte sich das Werk aus heutiger Sicht nur noch als großartige Komposition voller innerer Schönheit und großer Ausstrahlung.
Dass es mit der Übertragbarkeit auf das Heute nicht weit her sein kann, beweist ein weiteres Zitat. Denn ‘Die Welt fürchtet seinen großen Geist …’ ließe sich auf die rezente Inthronisation sicherlich aus hiesiger Sicht nicht sagen. Da wäre es eher die Furcht vor Willkür, irrational Sprunghaftem und sozusagen religiösem Wahn, die einen umtreibt.