Die Saison des Hagen Quartetts steht im Zeichen der Quartette von Joseph Haydn. In jedem ihrer vier Konzerte stellen sie zwei Werke vor. An diesem Abend hatten sie zwei Stücke aus Opus 55 ausgesucht. Als drittes Werk eines jeden Auftritts gesellen sie jeweils etwas ganz anderes hinzu. Zu diesem Anlass erklang das zweite Quartett von Leos Janacek, „Intime Briefe“, das sie im Mozart Saal des Wiener Konzerthauses aufführten. Uwe Krusch war für Pizzicato auch dieses Mal dabei.
Die Geschwister Lukas, Veronika und Clemens Hagen spielen seit den 1970-er Jahren im Quartett, Rainer Schmidt, zweite Violine, kam 1987 hinzu.
Die Streichquartette A-Dur Hob. III/60 und auch B-Dur Hob. III/62 entstanden ca. 1788. Auch diese Kompositionen strotzen vor Einfallsreichtum an Gestaltungen der Form. Daneben stellen sie virtuose Anforderungen an die Interpreten. Das war kurz im Kopfsatz des A-Dur Werks zu bemerken, da Primarius Lukas Hagen einige Töne nicht ganz unter Kontrolle hatte. Von dieser Unaufmerksamkeit abgesehen zeigten die vier Musiker, was sie in Jahrzehnten gemeinsamen Musizierens an gestalterischer Finesse gewonnen haben. Bei einem geradezu introvertiert auf sich eingehegten Spiel entwickelten sie beide Haydn Quartette in einer sublim feinen Lesart, die die klassische Form betonte und auch die Reize und Feinheiten im Satz von Haydn bestens herausstrich.
Schon hier waren die ersten Bravorufe aus dem Publikum keine Überraschung, so dass es sich für das Hagen Quartett anbot, auch als Zugabe am Ende noch einen weiteren Satz von Haydn anzufügen. Dazu wählten sie aus der gleichen Entstehungszeit das Allegretto, den zweiten Satz aus dem Streichquartett G-Dur Hob. III/58, also einem Stück aus der anderen dreiteiligen Werkgruppe, nämlich Opus 54.
Mit dem zweiten Quartett von Leos Janacek, das den Titel »Intime Briefe« trägt, hatten sie die Bekenntnismusik eines reifen Musikers ausgewählt. Dies in Noten gefasste Liebesgeständnis enthält nach den Worten von Janacek genug Erlebnisse, um kleine Feuer in seiner Seele zu entfachen und damit auch beim Zuhörer. Das Hagen Quartett spielte es heuer wie üblich mit einer normalen Bratsche und nicht in der auch verfügbaren Version für eine Viola d’amore. Aber auch ohne dieses barocke Instrument ist die Bratsche hier mit ausdrucksvollen Passagen betraut, die im Spiel von Veronika Hagen eine überzeugende großartige Gestalterin hatten.
Dass das Quartett bestimmende Liebesthema durchglühte das Werk. Dieser Musik ließ sich nicht mit klassisch formalem Ansinnen beikommen. Vielmehr mussten sich die vier Musiker hier musikalische entblößen und ohne Scheu vor Risiko und mit wagemutigem Ausdruck auftreten. Und das taten sie eindrucksvoll. Vom ersten Satz, noch eher einem Kennenlernen der Protagonisten über den Ausdruck zärtlichsten Verlangens in Tönen bis zum zweiten Satz, der mit zunächst mit feierlicher Expressivität erklingt, bevor der Ausdruck in ein kindlich-spielerisches Presto hinüberwechselt, startete das Quartett. Im 3. Satz, in dem Janacek nach eigenem Bekunden die Erde beben ließ, fingen sie noch harmlos mit einem Wiegenlied beginnend an und steigerten sich bis zu den Presto-Einschüben, die man als Freudenschreie hören konnte. Im Finalsatz beherrschte dann die große Sehnsucht nach der Geliebten den Fortschritt. Das Werk, das an Intensität und Leidenschaft kaum ein Gegenstück in der Kammermusik hat, wurde von den Musikern auch mit diesem Einsatz dargeboten, der keine Zweifel an den Intentionen des Komponisten und auch der Interpreten aufkommen ließ.