Beim rezenten Auftritt spielten die Wiener Symphoniker ausschließlich Tchaikovsky. Joshua Bell war dabei Solist im Violinkonzert. Christoph Eschenbach dirigierte außerdem die Polonaise aus der Oper Eugen Onegin und die Suite aus dem Ballett Der Nussknacker. Uwe Krusch berichtet für Pizzicato.
Große Teile des Publikums zeigten sich scheinbar in vorweihnachtlich erlebnisbetonter Stimmung, so als ob sie nicht nur einmal jährlich in die Kirche, sondern genauso oft ins Konzert gehen. Es hatte den Anschein, als ob es die Gepflogenheiten nicht so genau kannte. Nicht nur, dass es viele Hüsteleien und Ähnliches gab, es wurde auch nach dem ersten Satz des Violinkonzertes und bei den ersten Sätzen der Ballettsuite dazwischen geklatscht. Was im Jazzkonzert geradezu nach Soli erwartet wird, ist im klassischen Konzert doch zumeist immer noch nicht üblich, zum Glück im Sinne der Einheit eines Werkes. Hier war es schon der nervende Standard.
Dass Eschenbach und das Orchester so gar nicht auf weihnachtliche Säuselei eingestellt waren, zeigte sich schon in den einleitenden Takten des Konzertes. Mit zielgerichtetem Ansatz und stringentem Vorgehen ebneten sie dem Solisten das Terrain für sein Spiel. Dass dabei in den Streichern und am Beginn des zweiten Satzes im Holz deutlich hörbar ein, nennen wir es ein eigenwilliger harmonischer Moment erklang, sollte bei diesem Orchester eigentlich nicht vorkommen. Sonst aber bewältigten sie das nicht so einfache Zusammenwirken mit dem Solisten in weitestgehend reifer Art und Weise.
Joshua Bell darf sicher als einer der am schönsten spielenden Geiger unserer Zeit gehört werden. Das war zum einen an der makellosen Tongebung zu hören. Man konnte es aber auch auf die gestalterische Darlegung des Konzertes von Tchaikovsky beziehen, die alles in feinstes Licht tauchte. Die Extreme und die Spitzen gehörten nicht zu seinen Markenzeichen. Die äußerst versierte und in die Details horchende Interpretation bot insofern den Gleichklang mit dem Ansatz von Eschenbach, als auch Bell keine Schnörkel und kaum ausgeprägte Tempoveränderungen, jedenfalls keine übertriebenen, nutzte. So zeigten sie zusammen eine prägnant durchleuchtete Version des Werkes, der es aber sicherlich für manchen dann doch auch ein wenig an Feuer und beseeltem Spiel mangeln mochte.
Zur Zugabe bat Joshua Bell noch den Konzertmeister des Abends, Anton Sorokow hinzu, um ein Duo von Shostakovich zu spielen. Dabei zeigte sich der Unterschied eines mit weniger auffälligen Mitteln große Wirkung erzielenden Solisten gegenüber einem Orchesterinstrumentalisten, der plötzlich im großen Rampenlicht steht.
Mit der Polonaise aus der Oper Eugen Onegin als Ouvertüre des zweiten Konzertteils fanden Dirigent und Orchester den großen, aber auch tänzerisch leichten Ton für einen wirkungsvollen Einstieg.
Die Suite aus Der Nussknacker bot dann die beliebten Ohrwürmer, wie gesagt, mit Unterbrechungen. Dabei behielt Eschenbach mit sicherem Gespür die Fäden für einen glatten Durchlauf in der Hand. Hätte ein Ballett dazu tanzen sollen, hätte es dies sicherlich dank des regelmäßigen Metrums bestens umsetzen können. Eschenbach nutzte also nicht die Möglichkeit der konzertanten Darstellung, hier oder da mehr oder weniger mit Temposchwankungen etwas weihnachtlichen Puderzucker zu streuen. Doch kitzelte er die luftigen Augenblicke und klanglichen Kostbarkeiten, wie beispielsweise das Zusammenwirken von Celesta und Bassklarinette, klar und deutlich heraus, so dass das Publikum begeistert und dann doch auch weihnachtlich gestimmt entlassen wurde.