Der Cellist Mischa Maisky hatte krankheitsbedingt seinen Auftritt im Wiener Konzerthaus absagen müssen, den er zusammen mit Martha Argerich geplant hatte. Kurzfristig waren der Geiger Maxim Vengerow und Polina Osetinskaya als seine Duopartnerin am Klavier eingesprungen. Dass dieses Konzert nicht nur irgendein Ersatz war, sondern einen Abend höchsten Genusses bot, weiß Uwe Krusch für Pizzicato zu berichten.
Das älteste Werk des Programms erklang gleich nach der Pause. Wobei die 1886 komponierte Sonate von César Franck alles andere als alt war und auch inspiriert frisch interpretiert wurde. Vengerow und Osetinskaya boten dieses solitäre Stück in einer energiereichen und umfassend durchleuchteten Version an, die aber zu keiner Zeit kraftvoll auftrumpfte, wie man es sonst oft erlebt. Vielmehr zeigten sie in vielfältigen Nuancen, wie man Spannung und großen Ausdruck auch ohne Nachdruck erreichen kann. So präsentierten sie dieses Stück als Muster detailreich formulierter Gestaltung in entspannt wirkender Weise, aber voller Elan und Präzision.
Für den Abschluss des offiziellen Programms hatte das Duo dann eine Komposition ausgewählt, die eher den Geiger als die Pianistin forderte, nämlich Tzigane von Maurice Ravel. Bereits mit dem nur von der Geige vorgetragenen Beginn, also einer Kadenzsituation, ist diese Komposition eine wahre Tortur oder eine ansprechende Spielweise für einen Geiger, je nachdem wie er dieses Werk empfindet. Denn Ravel hatte Tzigane nach dem akustischen Studium der Solocapricen von Paganini geschrieben, weil er etwas noch schwierigeres hervorbringen wollte. Und das gelang ihm. Aber ebenso mühelos wusste sich Vengerow dieser Spielweise zu bemächtigen und eine eloquente Beherrschung der technischen Bestandteile zu demonstrieren, wobei ihm noch genügend Raum und Vermögen blieb, diese Komposition auch musikalisch zu formen.
Wie den gesamten Abend über war ihm Polina Osetinskaya auch hier eine ebenbürtige musikalische Partnerin. In einem traumwandlerisch sicheren Miteinander waren sie aufeinander eingespielt und kamen mit kaum erkennbaren Gesten gegenseitiger Beachtung aus, ohne deswegen auch nur einmal das enge gemeinsame Musizieren auch nur ansatzweise zu verlassen. Außerdem gelang es den beiden Musikern, eine ausgewogene dynamische Sicht zu gewährleisten, die beide Instrumente miteinander ohne Vorrechte für das eine oder das andere verband.
Eröffnet hatten sie den Abend mit zwei Werken von Sergej Prokofiev. Als Einspieler mochte man noch die Fünf Melodien op. 35b hören. Doch eröffneten diese kleinen Stücke für Violine und Klavier, die wie Tzigane ein Jahrhundert alt sind, bereits ein bestens abgestimmtes und aufeinander eingehendes Musizieren, dass in der Sonate D-Dur op. 94a des gleichen Komponisten fortgesetzt wurde. Dieses 20 Jahre jüngere Werk und die Melodien erfuhren bei aller Meisterschaft der Darstellung eine brüskere und technischer anmutende Deutung als der zweite Teil des Abends, was dem Charakter der Werke aber durchaus gut tat.
Der frenetische Applaus, wie immer in Wien von Landsleuten der auftretenden Künstler besonders angetrieben, wurde mit drei Zugaben und den besten Wünschen für die bevorstehenden Festtage sowie der Hoffnung für eine friedliche Welt garniert. Zunächst schloss sich sozusagen der Kreis, da nach Prokofiev am Anfang jetzt sein Marsch aus ‘Die Liebe zu den drei Orangen’ op. 33b gegeben. Dann öffnete sich der Kreis wieder, denn mit Schön Rosmarin von Fritz Kreisler hofierten sie in gewisser Weise das Wiener Publikum. Als Schlusspunkt erklang von Serge Rachmaninov die Variation Nr. 18 aus der Rhapsodie über ein Thema von Paganini op. 43 in der Bearbeitung für Violine und Klavier von John York. Alle Zugaben wurden mit der gleichen Sorgfalt, Präzision und mit elegant ausgeformter musikalischer Aussage dargeboten, so dass alle Besucher des Konzerts einen erfüllenden Auftritt erleben durften.