Im Gastkonzert des Orchestre symphonique de Montréal unter Leitung des Musikdirektors Rafael Payare konnte Uwe Krusch für Pizzicato zwei naturbezogene Kompositionen erleben. Dazwischen spielte als Solist Daniil Trifonov das erste Klavierkonzert von Ludwig van Beethoven.
Zum Abschluss seiner Europatournee besuchte das Orchester das Wiener Konzerthaus. Anders als im Konzert in Luxemburg boten sie in Wien im zweiten Programmteil ‘Eine Alpensinfonie’ von Richard Strauss als großes Werk für das Orchester an. Rafael Payare, der das Orchester seit nunmehr etwa zwei Jahren leitet, weiß mit ausschweifenden Bewegungen und markantem Haarschopf die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
Doch musikalisch hört man längst nicht alles, was bei so einem Mammutwerk geboten wäre. Man darf attestieren, dass die Musiker des Ensembles aus Montreal auch in dieser großen Besetzung, hier beim Fernorchester durch Blechbläser von Studierenden der Universität für Musik und darstellenden Kunst Wien unterstützt, technisch auf einem herausragenden Niveau spielen. Die Bläserpartien saßen und die Harmonien passten zusammen. Die Blechbläser konnten vor allem an den besonders leisen Stellen aus ihren Instrumenten butterweiche Töne hervorlocken und nicht nur die lauten Passagen auskosten.
Die Holzbläser, die Schlagwerker, Harfenistinnen, Celestaspielerin und Organist standen in ihren Fertigkeiten und der Umsetzung dem in nichts nach. Die Streicher, nicht nur die solistisch agierenden ersten Pulte, schlossen sich den soweit makellosen Ausführungen an, wobei den Streichern ein wenig die Brillanz der anderen abging. Insgesamt boten sie eine höchst erfreuliche und auch konzentrierte Orchesterleistung, die virtuos und mit prächtigem Ton die Partitur von Strauss aufblühen ließ.
Chefdirigent Rafael Payare aus Venezuela animierte das Orchester von Beginn an in einem realistisch wirkenden Ton. Das Werk, das im Wesentlichen Sinneseindrücke und Empfindungen transportieren soll, wurde von ihm mit viel Elan und Kraft angegangen. Obwohl zeitlich in Rahmen anderer Interpretationen, wirkte die Deutung so tempobewusst, dass man eher den Eindruck hatte, ein Mountainbiker sprintet über die Alpen, ohne auch nur einen Blick zur Seite zu wenden, als dass ein Wanderer die Wunder der Natur sieht, betrachtet und auf sich einwirken lässt. Die Details konnte man also nicht heraushören. Wo andere Dirigenten Stimmungen und Farben hervorzaubern, wusste Payare dies mit Intensität zu übergehen.
Am Anfang des Konzertes wurde das etwa sieben Minuten dauernde Stück ‘Jeder Baum spricht’ von Iman Habibi vorgetragen. Dieses Werk hatte seine Anknüpfungspunkte zum 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven und dessen 5. und 6. Symphonie sowie in der Klimakrise, die durch die beunruhigende rhapsodische Form zum Ausdruck kam. Diese Musik bot bereits einen das Ensemble gut in den Fokus stellenden Auftakt, der mit gemäßigt modernem Ton und dem hier noch wie bei Beethoven kleiner besetztem Orchester das Publikum positiv einstimmte.
Mit dem Pianisten Daniil Trifonov hatte das 1. Klavierkonzert von Beethoven eine Solobesetzung, die diesem Werk mehr als gewachsen war. So durfte man das leichthändige Spiel des Solisten ebenso wahrnehmen wie auch seine optimale Beherrschung aller technischen Aspekte. Dabei entwickelte er mit dem Orchester zusammen einen Ton, der noch die Vorbilder, also die Klavierkonzerte von Mozart, deutlich erkennen ließ, wobei Payare darauf achtete, den moderneren Ansatz mit stärkeren Akzenten zu betonen.
Obwohl das Spiel von Trifonov keine Wünsche offenließ, mochte man anhand seines etwas lustlos und uninteressiert wirkenden Auftritts den Eindruck gewinnen, dass er sich nicht im Einklang mit den Begleitern befand. Das wollte, wer mochte, dann auf den Dirigenten fokussieren, da die Umarmung nach dem dritten Satz seitens Trifonov in jedem Sinne distanziert stattfand.
Trotzdem ließ sich der Pianist vom Publikum erweichen und gab mit dem Adagio aus Dornröschen von Peter Tchaikovsky, das er in der Bearbeitung von Mikhail Pletnev darbot, eine sensibel ausgehorchte und seine Stärken zeigende Zugabe.