Gustav Mahler Symphonie Nr. 8 für großes Orchester, acht Solisten, zwei gemischte Chöre und Knabenchor, entstanden in den Jahren 1906–1907 als eindrucksvolles musikalisches Dokument der zu Ende gehenden Epoche großbürgerlichen Denkens und Lebensgefühls zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts ist bei ihrer Uraufführung umjubelt worden. Heute ist diese ‘symbolische Riesenschwarte’, wie es Theodor W. Adorno ausgedrückt hatte, vielleicht nicht ganz so eindeutig positiv konnotiert. Dass die aktuelle Aufführung im Wiener Konzerthaus dennoch zur umjubelten Interpretation wurde, hat Uwe Krusch für Pizzicato erlebt.
Als Orchester waren die Wiener Symphoniker in, wie es die Partitur vorgibt, großer Besetzung vor Ort. Die Gesangsstimmen wurden vom Wiener Singverein, Einstudierung Johannes Prinz, von der Wiener Singakademie, Einstudierung: Heinz Ferlesch, den Wiener Sängerknaben, Einstudierung: Manuel Huber und Oliver Stech sowie den Solisten Elisabeth Teige, Johanni van Oostrum, Regula Mühlemann, Tanja Ariane Baumgartner, Noa Beinart, Benjamin Bruns, Christopher Maltman und Tareq Nazmi präsentiert. Die musikalische und koordinierende Gesamtleitung lag in den Händen von Philippe Jordan.
Das Werk mit seinem damals und auch heute noch neuartigen Formkonzept und dem einzigartigen Inhalt, der sich aus Verknüpfung des mittelalterlichen Pfingsthymnus mit der Schlussszene aus Faust II von Goethe und der riesigen Besetzung, einen geschäftstüchtigen Verleger zum Titel „Symphonie der Tausend“ anregend, wirkt zu einem Teil einfach auch durch Überwältigung. Schon der wuchtig intensive Einstieg, der auch noch ein wenig Raum für ordnende Feinarbeit ließ, stürzte die Zuhörer klangstark und abrupt ins Geschehen. Doch sehr schnell gelang es dem Dirigenten Philippe Jordan, die versammelten Mitwirkenden nicht nur zu einer gemeinsamen Schrittweite zu organisieren. Vielmehr entwickelten sie eine durch und durch ausgefeilte Interpretation, die neben sensibel leisen Passagen vor allem unter Ausnutzung der großen Zahl Mitwirkender überwältigend kraftvolle Momente boten, die aber im Verlauf des Abends immer durchhörbar und strukturiert erklangen. Neben den solistischen Beiträgen im Orchester von den Stimmführen der Streicher und der Bläser durften sich auch alle Register und Instrumentengruppen hochmotiviert und exemplarisch ausgereift formulierend hervortun. Die Gewichtungen im Orchester boten auch den seltener zu hörenden Instrumenten wie Bassklarinette, Kontrafagott, Celesta, Harmonium und Mandoline den akustischen Raum, sich hörbar zu beteiligen. Nicht zu vergessen die Stimme der Orgel, die sich immer wieder markant hinzufügte.
Das Orchester gab in diesem Konzert also eine bestens konsolidierte Visitenkarte ab, nachdem es in der letzten Saison durchaus auch weniger prägnante Darstellungen geboten hatte.
Die drei Chöre, Wiener Singverein, Wiener Singakademie und Wiener Sängerknaben, wussten sich nicht nur mit unzählbarer Zahl an Beteiligten ins rechte Licht zu setzen, sondern waren von ihren jeweiligen Leitern als ebenso flexible wie rhythmisch und dynamisch sichere und wandelbare Formationen vorbeireitet worden, was sie jetzt zum Gelingen des Gesamteindrucks beeindruckend einzusetzen wussten, so dass auch von ihnen ein wesentlicher Impuls für die Gesamtinterpretation geboten wurde.
Die Sopranistinnen Elisabeth Teige als Magna Peccatrix, Johanni van Oostrum als Una Poenitentium und Regula Mühlemann in der Rolle der Mater Gloriosa, Tanja Ariane Baumgartner mit ihrem Mezzosopran für die Mulier Samaritana, Noa Beinart in der Rolle der Maria Aegyptiaca als Alt, und bei den Männern der Tenor Benjamin Bruns, Doctor Marianus, Christopher Maltmans Bariton für Pater Ecstaticus sowie Tareq Nazmi mit der Bassstimme des Pater Profundus rundeten das Tableau der Beteiligten wunderbar. Ein so auf einem einheitlich hohen Niveau agierendes Oktett an Stimmen bot eine ebenso abwechslungsreiche wie charakterstarke Ausformung der gesungenen Solopartien an, dass man deren Mitwirkung durchaus als weitere Marksteine dieser Aufführung wahrnehmen durfte.
Abgerundet wurde der fulminante und einprägsame Abend durch geschickt eingesetzte Elemente der Dramaturgie. Neben dem das Ende mitbestimmenden Fernorchester aus vier Trompeten und drei Posaunen war auch die Mater Gloriosa, also Regula Mühlemann, in den geöffneten Dachluken weit oberhalb des Geschehens platziert, was deren Mitwirken einen quasi himmlischen Aspekt mitgab, der die von der Partitur gewünschte Wirkung dieser abgesonderten Musiker auf besondere Weise umsetzte.
Langanhaltender Applaus krönte diesen Auftritt, dem Philippe Jordan mit ebenso umsichtiger wie sicherer und trotzdem auch der nötigen Gelassenheit und Freiheit für die Beteiligten gebenden Handreichung ein sicheres Geleit für die eindrucksvolle Entfaltung geboten hatte. Der Dank der Beteiligten an ihn war ihm dafür sicher.