Über das Gastspiel des Dallas Symphony Orchestra und seines Chefdirigenten Fabio Luisi sowie Anne-Sophie Mutter als Solistin berichtet Uwe Krusch für Pizzicato. In der ersten Hälfte boten sie drei amerikanische Werke von Angélica Negrón und John Williams an, nach der Pause die 6. Symphonie von Tchaikovsky sowie eine Zugabe von Glinka die Ouvertüre zu Ruslan und Ludmilla.
Die aus Puerto Rico stammende Komponisten Angélica Negrón hat das vorgestellte Werk ‘Hat keeps me awake’ war zwei kürzlich Saisons Composer-in-Residence beim Orchester in Dallas. Ihr Werk aus dem Jahr 2008 befasst sich mit der Suche der jungen Künstlerin nach ihrer Position und ihrem Weg zu einer Orchesterkomposition. In nur sieben Minuten versuchte sie, den schöpferischen Vorgang vom Starren auf ein leeres Blatt bis zum fertigen Werk. In die vier Abschnitte flossen immer wieder auch neue Ideen ein, so dass sich Überschneidungen und Beeinflussungen ergaben. Statt einer finalen Antwort endete das Stück mit ungebrochenem Vorwärtsdrang. Obwohl das Orchester und Luisi sich diesem Stück mit wacher Energie widmeten, kam es nicht beim Publikum an. Der kurze laue Applaus konnte eigentlich nicht mal als höflich bezeichnet werden. In diesem Fall deckten sich Publikums- und Kritikerbegeisterung.
Zum Glück folgte schnell der Auftritt von Anne-Sophie Mutter in dem für sie geschriebenen zweiten Konzert für Violine und Orchester von John Williams. Nach langem gemeinsamen musikalischem Weg hat Williams das Werk der Solistin auf den Leib geschrieben. Vom improvisatorischen Jazzanteil sowie einem virtuosen Part gegen Ende des ersten der vier Sätze über die Kadenz der Silovioline zusammen mit Harfe und Pauke im dritten bzw. noch mal Harfe und Violine im vierten Satz bot viele reizvolle Aspekte, die Anne-Sophie Mutter mit der ihr eigenen Sicherheit und Eleganz meisterte. Das ihr in die Finger gefertigte Konzert stellte sie an diesem Abend schon zum zweiten Mal in Wien vor. Fabio Luisi und das Gastorchester unterstützten sie dabei mit eng zugefügtem Ensemblewirken. Alle drei Beteiligten konnten das Werk zu einer in Erinnerung bleibenden Interpretation zusammenfügen, die den Charme des Stückes herauskitzelte.
Bei ihrem kurzen Nachwort vermittelte Mutter ihre dringende Anregung, häufiger zeitgenössische Musik in die Konzertprogramme aufzunehmen. Zusammen mit dem Orchester bot sie als Zugabe gleich noch ein weiteres Stück von John Williams, diesmal aus seinem anderen Schaffensbereich stammend. Denn es handelte sich um ‘Helena’s theme’ aus dem Film ‘Indiana Jones und das Rad des Schicksals’, das Williams aus der Originalfassung in die für die Solovioline zum Orchester gebracht hat. Beide Beiträge erzielten großen Zuspruch von den Zuhörern, wie bei dieser Solistin auch nicht anders zu erwarten war. Auch in diesem Fall hatte der Rezensent daran nichts auszusetzen.
Das Orchester selber stellte sich und seine Fähigkeiten dann mit der 6. Symphonie von Piotr Tchaikovsky vor. Luisi formte eine in sich geschlossene Sicht, die in den Tempogestaltungen keine Extreme aufwies. Das Orchester zeichnete sich durch eine agil satt und warm temperierte Blechgruppe aus, die ihren Stärken fantastisch ausspielen konnte. Auch die Holzbläser agierten mit hervorragenden Solisten und stark im harmonischen Zusammenklang. In den Streichern boten sich im Vergleich dazu geringe Abstriche in der Homogenität. Im Allgemeinen gelangen auch den Streichern ausdrucksvolle Gestaltungen, die durch das punktgenaue Dirigat von Luisi immer wieder initiiert wurden.
Auch das eigentlich musikbeflissene Publikum in Wien ließ sich in diesem Konzert zu dem Faux pas hinreißen, nach dem scheinbaren lauten kraftvollen Ende des dritten Satzes in größerer Anzahl zu applaudieren. Doch es folgte noch der verhaltene, mit großer Intensität musizierte vierte Satz, der dann trotz des verhaltenen Schlusses großen Applaus auslöste.
Luisi und das Dallas Symphony Orchestra durften dann nicht den Saal ohne eine Zugabe verlassen. Zu Tchaikovskys Symphonie hatten sie ein weiteres Werk aus Russland vorbereitet, die Ouvertüre zu Ruslan und Ludmila von Michael Glinka. Erneut mit einer ausgewogenen Darbietung zeigten sie wiederum, wie gut ein Orchestergefüge gemeinsam virtuos agieren kann, ohne die musikalische Aussage zu vergessen.