Unter dem Motto Gegenpole stand das aktuelle Konzert vom Klangforum Wien mit seinem Conductor in Residence Vimbayi Kaziboni aus Simbabwe. Uwe Krusch hörte für Pizzicato zu, welcher Art die drei Werke des Abends waren. Allen war gemeinsam, dass außermusikalische Aspekte in die Kompositionen eingeflossen waren.
Gleich bei Shrimp BIT Babyface von Alex Paxton, das den Abend eröffnete, wurden die Sinne ordentlich durchgeschüttelt. Als wilder Stilmix, der sich als natürlicher Strom entfaltete und dabei nicht gekünstelt oder akademisch wahrgenommen werden konnte, setzte Paxton zehn Musiker mit ihren akustischen Instrumenten und weitgehend normalen Spieltechniken mit Samples vom Band aus unterschiedlichen Welten zusammen. Dazu gehörten etwa 8-Bit-Sounds, die Ältere noch von manchen Computerspielen kennen und in anderen Kontexten eigene Genres wie Bitpop oder Nintendocore entstehen ließen. In Anwesenheit des Komponisten konnte dieses Werk seine pralle Wucht an ebenso spielerischen wie humorvollen Effekten entfalten. Energiegeladen, ebenso manisch-kontrastreich wie fröhlich entwickelte sich dieses musikalische Panorama.
‘Staahaadler Affenstall’ von Oxana Omelchuk war der kürzeste Beitrag des Abends. Benannt nach dem Gasthof gleichen Namens im Erzgebirge und dem darin zu findenden Musikautomaten mit einem Mandoline spielenden Affen standen hier Drumset, Samplepads und ein Ensemble zur Verfügung, um die Gegenüberstellung von vorhandenen Klängen und Geräuschen, seien sie vom Automaten oder auch nur dem Ticken einer Uhr, mit den neuen Zutaten der Komponistin in ein Werk zusammen zu binden. Durchs Sampeln bekamen alte Töne ein neues Gewand. Auch dieses Werk zeigte sich mit einem schmunzelnden Ansatz und gleichzeitig ernsthafter Auseinandersetzung mit der Materie.
Wie in allen Stücken zeigte das Solistenensemble Klangforum Wien seine geradezu schlafwandlerische Sicherheit im Umgang mit solchen modernen Partituren bei gleichzeitiger Freude am Entdecken dieser Klangwelten. In dieser Saison werden sie dabei von Vimbayi Kaziboni unterstützt, der neben Elena Schwarz seit Jahresbeginn Residenzdirigent ist. Getreu seinem Motto, zu inspirieren, zu fördern und zu führen, koordinierte er das Klangforum in den verschiedenen Besetzungen des Abends mit klarer dirigentischer Handschrift, die die strukturelle Sicherheit lieferte sowie daneben die Ausdrucksmittel formte, um die Vielfalt der Ästhetiken aus den Partituren exzellent zu heben.
Das längste Werk des Konzertes war zugleich die dritte Erstaufführung im Konzerthaus und mit 21 Musikern das größtbesetzte. Andĕlské schody bezeichnet zwei benachbarte Naturgebiete in Tschechien, aber auch einfach eine Engelstreppe. Den Titel lieferte der Tschechische Komponist Martin Smolka als Ausdruck seiner Faszination für kleine nackte pummelige Kinder, sprich Engel. In fünf Sätze gefasst bot diese Musik mit ihren mikrotonalen Strukturen und prägnanten Tonsetzungen von den zarten, fast vorsichtigen Äußerungen am Beginn über klar formulierte markante Standpunkte, die ihre Wichtigkeit klarmachten. So wie wir nur in Gemälden Engel sehen, so musste auch offen bleiben, ob hier Engel anwesend waren und zugehört haben. Aber vermutlich hätte ihnen das teilweise sich metaphysisch gebende Stück gefallen.
Begeisterter Applaus, im letzten Fall auch wieder für den anwesenden Komponisten, aus dem vollbesetzten Auditorium zeigte, dass diese Tonsprachen auch beim Publikum angekommen waren.