Mit einem voll besetzten Saal konnte das Wiener Konzerthaus in die neue Saison starten. Bot es doch mit Anne-Sophie Mutter als Solistin sowie Manfred Honeck und seinem Pittsburgh Symphony Orchestra eine mehr als ansehnliche Besetzung zum Beginn. Uwe Krusch hat für Pizzicato gehört, ob das Konzert ein entsprechendes musikalisches Eröffnungsfest lieferte.
Nur fünf Minuten dauerte die einleitende Vertonung eines Geschwindigkeitsrausches, den John Adams als Beifahrer in einem italienischen Sportwagen erlebte. Dementsprechend zeigte sich das Ensemble bestens aufgeweckt und bereit, diesen 1986 komponierten „Short Ride in a Fast Machine. Fanfare für Orchester“ adrenalinheischend zu präsentieren. Schon die Uraufführung hatte das Ensemble gespielt, so dass es sich in dem beliebten Werk zu Hause fühlte und es bestens disponiert mit Verve und Spritzigkeit servierte. Wenn man dieses quirlige Stück erlebt, wird klar, warum es zu den meistgespielten von John Adams gehört. Unmittelbar zugänglich und mitreißend bietet es keinen Anlass, sich vor neuer Musik zu fürchten. Vielmehr kann sich ein Orchester in allen Bereichen mit klarer Disposition der vertrackten rhythmischen Entwicklungen, hier vor allem der ständig aktive Holzblock, und klangvollem Spiel vorstellen.
Danach wurde es zusammen mit der Geigerin mit Anne-Sophie Mutter sozusagen klassisch. Felix Mendelssohn Bartholdy mit seinem e-Moll Konzert hatte sie für diesen Abend mitgebracht, nachdem sie gerade noch im Juni mit dem zweiten Konzert von John Williams am gleichen Ort aufgetreten war.
Mutter und Honeck und damit auch sein Orchester, dem er schon im 16. Jahr vorsteht, waren sich darin einig, das Stück ganz klassisch mit einem ausgeprägt klangvollen Ansatz zu zeigen, der sich wie aus einem Guss durch das flüssige Zubereiten entwickelte. Nur einmal hatte Mutter eine eigentlich zu kurze Pause ausgesucht, um ihr Schultertuch zu richten, so dass sie den neuen Einsatz gerade noch so ohne wirklich merklichen Verlust packte. Ansonsten aber verströmte sie souveräne Meisterschaft mit zupackender Intensität. Mit diesen Komponenten zeigte sie eine konsequent durchgeformte Deutung, die das Werk als feinste Komposition ohne Willen zu stilistischen Neuerungen auslotete.
Das Orchester assistierte, auch in den sehr zurückgenommenen Begleitmomenten noch immer ein höchst präsentes und volltönendes Bild. Mit so erfahrenen Kräften gelang ein nahtlos verwobenes Miteinander, dass das Publikum zu begeistertem Beifall animierte. Anne-Sophie Mutter und die Musiker aus Pittsburgh hatten dann doch noch einen John Williams als Zugabe vorbereitet. Nach einem Hinweis von Mutter zu den weltweit gegenwärtig rund 200 kriegerischen Konflikten weltweit spielten sie das Thema aus dem Film »Schindler’s Liste«. Dabei gaben sie dem Stück, das ohne die intensiven Bilder des Films nur eine bestens zugängliche leichtfüßige Tonfolge bietet, genau den dazu passenden Tonfall.
Mit der Symphonie Nr. 1 D-Dur von Gustav Mahler hatten Honeck und Orchester dann ein fast einstündiges Werk aufgelegt. Das ab dem Dreikaiserjahr entstandene Werk bot dem Ensemble reichlich Gelegenheit, seine enormen Qualitäten herauszustellen. Und davon wurden reichlich gezeigt.
Honeck hatte für das Werk eine sehr eigenhändige Lesart einstudiert, bei der vor allem zu allen zeitlich variierenden Komponenten noch besonders ausgeprägte eigene kamen, die den Fluss einige Male abstoppten. Hier und da mochte man das als besonders aufmerksame Interpretation akzeptieren und auch als passend hören, aber in der Häufung und Intensität zerlegte es das Werk dann in einzelne Preziosen, für den Ablauf stellt es sich dann aber eher preziös dar. Honeck und Orchester vermittelten so unzählige exzellente Augenblicke, in denen amerikanische Präzision und europäische Interpretation Synergien hebend verschmolzen, aber vielfach als Einzelbilder belichtet, nicht als Film. Erst im vierten Satz boten sie kraftvolle Entwicklungen bis hin zu den stehenden Hörnern, die dann noch einmal einen kleinen dynamischen Aufsatz liefern konnten.
Beim Hören war dem Kritiker beim Mahler eine kurze Sequenz aufgefallen, die einen Hauch von Grieg verströmte. Ob dieser hervorgeholte Moment der Anlass war? Jedenfalls folgte auf die Symphonie als Zugabe von Edvard Grieg der Satz Morgenstimmung aus Peer Gynt. Hier durfte das Orchester noch einmal eine andere, mehr verträumte Qualität erklingen lassen. Und noch eine weitere Zugabe ließen sich die Besucher entlocken. Mit dem Walzer aus Der Rosenkavalier von Richard Strauss konnte das Orchester dann noch farbliche Intensität erblühen lassen. Allerdings mag man sich auch fragen, ob nach einer solchen Symphonie überhaupt noch Zugaben nötig waren.