Ein Konzert der Sonderklasse konnten die Besucher im Wiener Konzerthaus Anfang der Woche erleben. Neben dem heimischen Orchester der Wiener Philharmoniker waren der Geiger Leonidas Kavakos und der Dirigent Herbert Blomstedt zu Gast. Uwe Krusch konnte für Pizzicato den Abend in vollen Zügen genießen.
Mitgebracht hatten die Musiker das Violinkonzert von Johannes Brahms sowie die 5. Symphonie von Carl Nielsen. Die Symphonien des dänischen Komponisten finden bei Herbert Blomstedt regelmäßig ihren Platz in seinen Programmen. Wenn man bedenkt, dass Blomstedt sich seit einiger Zeit auf das ihm wichtige Repertoire zu fokussieren scheint, so kann man ahnen, welche Bedeutung diese Werke von Nielsen für ihn haben.
In der fünften zeigte Blomstedt durch das Orchester die dem Werk immanente Dramatik deutlich auf, doch ohne Schärfe. Er ließ die ruhige Lebenssituation, in der Nielsen zur Zeit der Komposition lebte, als Hintergrund durchschimmern und stellte trotzdem den im Vordergrund stehenden Einbruch der Unordnung in die Ordnung mit Klarheit heraus. Die vor allem den ersten Satz bestimmende, aber auch gedanklich im zweiten nachhängende kleine Trommel schürte mit ihrem Rhythmus die Angst und es bedurfte des ganzen Orchesters, um sie einzuhegen. Selbst im zweiten Satz behielt das Zwanghafte die Oberhand. Zwei Fugato Passagen, eine rasende und eine behutsam, fast suchend vorankommende, kennzeichneten die Musik, bis über einen Rückgriff auf die Eröffnungssequenz ein triumphal positives Ende erreicht wurde.
Blomstedt hatte dieses Werk trotz seiner nachlassenden physischen Möglichkeiten geistig und dirigierend vollendet im Griff. So konnte er die Wiener Philharmoniker zur vollen Entfaltung ihrer unbegrenzt scheinenden orchestralen Möglichkeiten führen. Trotz mancher Aufwallungen der Musik schufen die Beteiligten eine strukturell klare Großform, in der sie die kleinen und auch feinen Szenen exquisit ausmusiziert einbetteten.
Bei einem Konzert mit den Wiener Philharmonikern wird einem immer wieder deren Qualität im wahrsten Sinne auch vor Augen geführt. So spielen etwa die Streicher einer Stimme mit der gleichen Bogenführung, d.h. mit einer Streichgeschwindigkeit, an der einheitlichen Bogenstelle und der kollektiven Intensität, wie es bei weitem nicht bei jedem Orchester zu beobachten ist. Dazu kamen die in allen individuell besetzten Stimmen herausragenden Instrumentalisten, die sich blind vertrauend aufeinander verlassen konnten und so ein herausragendes Ensemble formten.
Blomstedt zeigte seine Ideen in zwar sparsam wirkenden, aber immer intensiv und exakt vollzogenen Dirigiergesten an und wusste so eine die Dramatik des Werkes optimal herauskitzelnde Version zu dirigieren, ohne deswegen extreme Forcierungen zu fordern. Es war wie immer eine Freude, diesen Dirigenten im Vergleich zu manchem hochgelobten jungen Vertreter der Zunft zu erleben. So fand er auch hier immer die wohl aus seiner menschlichen Wärme herrührenden Wege, ein Werk facettenreich und trotzdem in seinem natürlichen Fluss zu zeigen und nicht mit unnötigen oder gar übertriebenen Spielereien zu jonglieren. Dabei unterstützte ihn das Orchester bestens.
Den Abend eröffnet hatte das Violinkonzert von Johannes Brahms. Der Solist Leonidas Kavakos zeigte sich dem Orchester in einer sonst nicht zu erlebenden persönlichen Verbundenheit nahe und auch mit Blomstedt harmonierte er eng. Zusammen schufen sie eine mustergültige Interpretation dieses Konzertes, das die Violine eher als führendes Instrument in einen symphonischen Kosmos einbettet als ihr ein klassisches Ambiente eines Virtuosenkonzerts zu bieten.
Kavakos begeisterte durch feine Virtuosität, in der er seine subtile und souveräne Lesart der Musik einmal mehr auslebte. Als Typ mag man ihn eher als einen konservativen, verinnerlichten Menschen sehen, der seine Interpretationen gerne an der klassischen Linie im Sinne der musikalischen Tradition entlangführt. Mit der Wahl der sozusagen ursprünglichen Kadenzen, die wenn schon nicht vom Komponisten, so doch vom im Entstehungsprozess stark eingebundenen Joseph Joachim stammen, festigte er diese persönliche Bild ebenso wie er es auch dadurch aufweichte, dass er die modernen, über die damalige Gegenwart hinausweisenden Partikel, etwa harmonischer Natur, in den Kadenzen deutlich zeigte.
Mit all seiner Erfahrung und Sicherheit schürfte Blomstedt, im langsamen Satz ohne Taktstock dirigierend, die gestalterischen Linien für das Orchester heraus wie er auch für den Solisten die An- und Einbindung unterstützte. So animierten Solist und Dirigent das Orchester zu einer sensibel hinhörenden Paarung zur Solostimme und einer grandios klassischen Sicht auf das Konzert.