Im Großen Saal im Wiener Konzerthaus gaben sich zwei bekannte Solisten ein Stelldichein. Uwe Krusch verfolgte für Pizzicato, welche Werke Geigerin Patricia Kopatchinskaja und Pianist Fazıl Say anboten.
Sie starteten mit einem Stück, dass jeder junge oder auch schon arrivierte Geiger bei einer Einspielung im Blick hat, das aber selten im Konzert zu hören ist. Das mag daran liegen, dass Mity (Mythen), drei Gedichte op. 30 für Violine und Klavier von Karol Szymanowski nur mit einem Höchstmaß an gestalterischem und spielerischem Können ansprechend dargestellt werden können. Kompositorisch impressionistisch wie bei Debussy und Scriabin angebunden, knüpften die drei Sätze inhaltlich an Nymphen der griechischen Mythologie an. Diese Mythen an den Anfang zu stellen, zeugte von einem gesunden Selbstbewusstsein. Dass dieses nicht aufgesetzt war, wurde durch die farbnuancierte und technisch gelungene Deutung mehr als klargestellt. So war es besonderes Erlebnis, dieses Werk nach vielen Einspielungen einmal auf der Bühne zu hören.
Es folgten zwei eigene Kompositionen der beiden Protagonisten. Von PatKop, wie sich die die Geigerin als Komponistin nennt, war UniSolo für Violine und Klavier zu hören, von Fazıl Say erklang Lost Screams Sonata Sonate für Violine und Klavier Nr. 3. Beide Stücke wurden nur Tage zuvor uraufgeführt und erklangen jetzt als Erstaufführung in Österreich.
UniSolo soll vom Titel her andeuten, dass die Geige als Erzählerin agiert und damit solistisch, aber eben auch auf die Reaktionen, Kommentare und anderes vom Klavier angewiesen ist. Ausgehend vom Kammerton A, so beschrieb PatKop das, entstand dieses Werk teilweise auch für sie überraschend außerhalb ihrer kontrollierten Beteiligung. Es blieb der Eindruck, dass mir Kopatchinskaja lieber ist als PatKop als Komponistin. Ihr UniSolo war gespickt mit technischen Finessen. Es entwickelte sich aus vielen kleinen Elementen, die eher eine Häufung von Floskeln ergaben als ein großes Konstrukt.
Es folgte das etwas Werk von Fazil Say. Seine dritte Sonate handelte von seinen Ängsten und Krisen als Künstler in unserer heutigen Zeit. Ob er damit auf die Pandemie, die Lage in seiner türkischen Heimat oder allgemein Unsicherheiten auf dem Lebensweg anspielte, blieb offen. Jedenfalls stellten sich die Lost Screams als intensiv leuchtende Erzählung dar, die in ihrer Gesamtheit vielleicht eher als Stimmungsbild denn als Sonate überzeugte.
Auch hier wussten die Solisten mit an die Grenzen gehendem Einsatz die Noten mit starker Darstellungskunst alle Facetten der Komposition zu heben.
In ihren Einführungsbemerkungen am Anfang des Abends hatte Kopatchinskaja darauf hingewiesen, dass sie beide schon eine dreistellige Zahl von gemeinsamen Auftritten zu verzeichnen haben. Deshalb musste es nicht weiter verwundern, dass sie eine so enge und vertraute musikalische Gemeinsamkeit entwickelt haben und diese auch ohne Abstriche zeigen konnten.
Zu Beginn hatte sie auch bereits auf den Abschluss das Konzertes geblickt und damit auf das als Kreutzer-Sonate bezeichnete Werk in A-Dur op. 47 von Ludwig van Beethoven. Sie stürzten sich wie angekündigt mit aller Verve in das aufwühlende Werk und schufen eine Interpretation, die die Frische und Aufgewühltheit bestens vermittelte. Auch hier gingen sie an die Grenzen und forschten sie aus. Manche Tempi waren sehr ambitioniert gewählt, so dass die klangliche Seite nicht immer lupenrein gewahrt werden konnte.
Den ganzen Abend über waren beide Künstler auf Beste miteinander vernetzt und zeigten sich perfekt aufeinander abgestimmt. Say bot sich als gleichberechtigter Partner auf dem Bösendorfer Flügel an, der seinen Standpunkt in den Werken eindrucksvoll einbrachte, ohne seine Partnerin in die Enge zu treiben.
Auch eine Zugabe hatten beide Musiker im Gepäck. Die Rumänischen Volkstänze, in der Bearbeitung für Violine und Klavier von Zoltán Székely, setzten noch einmal einen anders gearteten pointierten Schlusspunkt.