Das Klangforum Wien hatte kurz vor den Festtagen zum Konzert ins Wiener Konzerthaus gebeten. Und wie nicht anders zu erwarten, gab es jahreszeitlich angemessen eine Gabe, die Uraufführung der Komposition ‘…heraus aus Licht und Luft…’ von Georg Friedrich Haas für Soloklarinette und Kammerorchester. Solist war der Klarinettist Bernhard Zachhuber. Uwe Krusch berichtet.
Auch der zweite Teil des Abends bot eine Neuigkeit, da die drei nummerierten Werke der Reihe ‘riss’ von Mark Andre als Zyklus im Wiener Konzerthaus noch nicht zu hören waren. Am Beginn stand ein eher schon klassisches Stück, ‘Polifonica – Monodia – Ritmica’ von Luigi Nono.
Das Werk von Nono zeigte dessen Interesse an unorthodoxem Serialismus. Je fünf Blasinstrumente und Schlaginstrumente, davon ein Klavier, loteten die Palette von Klangfarben und dynamischen Möglichkeiten aus. Jeder Abschnitt fokussierte auf eine andere Technik, bei der jeweils melodisches und rhythmisches Material aufgebaut und allmählich im Laufe des Stücks verwandelt wurde. Die Musiker des Klangforums Wien entwickelten in Polifonoco aus einer kleinen rhythmischen Zelle eine dichte Polyphonie, der ein entspannter Mittelteil folgte. Ihnen gelang es auch, die für Nono wichtige Stille zwischen den Noten hörbar zu machen. Der italienische Gesangsstil Monodie der Renaissance erklang im zweiten Satz. Die einzige melodische Linie, instrumental begleitet, entwickelten die Ausführenden der Vorgabe gemäß sehr langsam, wobei sie die melodische Sololinie von Instrument zu Instrument springen ließen. Dieses entspannte Cantabile ermöglichte es, Gesänge und Echos wahrzunehmen. Im dritten Satz stellten die Schlagzeuger dichte rhythmische Verflechtungen vor, so dass ein zwingendes Crescendo ermöglicht wurde. Dem Klangforum Wien gelang es, sowohl den Kern des Werks deutlich machen wie auch die rhythmisch-perkussive Komponente und den Wert der Stille aufmerksam gestaltend heraus zu arbeiten.
Die Koordination und der Zusammenhalt lagen hier wie auch bei den folgenden Werken in den dirigierenden Händen von Ingo Metzmacher, der schon lange sein Faible für moderne Musik pflegt. Mit aller bedachten Aufmerksamkeit und stringenter Schlagtechnik leitete er sensibel agierend, aber auch straff organisierend, immer aufmerksam durch das Konzert.
In Anwesenheit des Komponisten Georg Friedrich Haas gestalteten Klarinettist Bernhard Zachhuber und das Klangforum Wien dann ‘…heraus aus Licht und Luft…’ als Uraufführung. Dieses Werk von rund 30 Minuten Dauer bot dem Solisten reiche Gelegenheit, sich mit wenigen Atempausen ganz der Darstellung des Solos zu widmen. Dieses fiel weniger durch die Vielzahl zu spielender Töne, sondern durch die Intensität der gespielten Noten auf. Dabei stand die Klarinette im Wettstreit mit dem Orchester, von dem sie sich mit ihren weitschwingenden Kantilenen befreite. Zachhuber bezauberte mit seiner Partie durch eloquente Sorgfalt und nachhaltig geformte Gestaltung. Seine Handhabung sicherte im Spagat zwischen frei wirkender Struktur und immer wieder mäandernden Tempi dennoch die Spur zu halten und dass er die Gesangslinie in Form zu halten wusste.
Dem Geist des Hölderlin Zitats und der wiederholten Notiz desselben im Quartett ‘Fragmente – Stille. An Diotima’ von Luigi Nono folgend, strebte Haas mit der Komposition seine heutige Verarbeitung und Sicht darauf kundzutun. Seinem Ansatz folgend offenbarte sich die Struktur der Materialien nicht sogleich, sondern das variierende Verweben verhinderte eher ein leicht verständliches Hören und Verstehen.
Wiederum in Anwesenheit des Komponisten war dann in beinahe einer Stunde der Zyklus der drei Teile der Reihe ‘riss 1-3’ von Marc Andre zu genießen. Einmal mehr changierte die Musik vor allem zwischen leisen und ganz leisen Passagen, die die Ausführenden meisterhaft beherrschten und so die Aufmerksamkeit des Publikums fangen konnten. Jedenfalls fühlte es sich am Ende der Reihe nicht so an, als ob man schon 60 Minuten zugehört hätte, die Zeit verging wie im Fluge. Man hatte sozusagen keinen Riss in der Konzentration gehabt, weil die Musiker die Spannung hochhalten konnten.
Unterschiedlichste Spieltechniken boten ein geräuschhaft betontes Miteinander, bei dem das Pochen, Klopfen, Schlagen und Schaben einen weiten Raum einnahm. Das Greifen mit den Fingern hinter dem Bogen, also zwischen eben jenem und dem Steg, bei den Streichern hatte ich jedenfalls noch nicht erlebt. Auch die Klangerzeugung mit Plektrons, Plastikkarten und anderen Werkzeugen hier und auch anderweitig im Orchester lässt sich nicht alle Tage finden.
Im Unterschied zu vielen anderen seiner Werktitel, die nur die zweimal drei Punkte und dazwischen eine Präposition zeigen und damit das Wichtige, die Hauptwörter verschwinden, bietet dieses Werk eben ein solches an. Wegen der Kleinschreibung war aber nicht erkennbar, ob ‘riss’ als ein Substantiv oder ein Verb in Vergangenheitsform gemeint ist. Doch auch ein Riss bietet wieder einen Übergang zwischen intakt und kaputt, aber auch das Verschwinden des Ganzen, der sich musikalisches beleuchten lässt, wie es für seine Musik kennzeichnend ist.
So machte die geradezu zarte Setzung es möglich, alle Elemente, struktureller oder gestaltender Natur, daraufhin zu untersuchen, ob und was nach dem Verlustmoment bleibt. Die Komposition wirkte irgendwie zerbrechlich scheu und gleichzeitig sehr selbstbewusst in ihrem Ziel, den suchenden Weg zu vollenden.
Überschwänglicher Applaus für den Solisten und die Uraufführung sowie den Zyklus im vollbesetzten Mozart-Saal des Wiener Konzerthauses zeigten, dass das Klangforum Wien wieder ausdrucksstark und gestaltungssicher seine Möglichkeiten ausgeschöpft hatte, um Zeitgenössisches musterhaft darzustellen.