Kammermusikabende im Wiener Konzerthaus scheinen gerne mal lange zu dauern. Wenn das Konzert dann herausragend war, dann beanspruchte auch Uwe Krusch für Pizzicato sein Sitzfleisch gerne.
Die Ohren wurden vom Hagen Quartett mit zwei Haydn Quartetten von Mozart und im Anschluss mit dem Streichquintett von Franz Schubert gesalbt. Dazu gesellte sich noch Gautier Capuçon als weitere Cellostimme.
In den beiden Mozart Quartetten aus der sechsteiligen Reihe der Quartette, die Mozart seinem Vorbild Joseph Haydn gewidmet hat, waren das in B-Dur K 458, bekannt unter dem Namen Jagd-Quartett, und das Werk in Es-Dur, K 421b, früher als 428 geführt, zu hören. In den mehr als vier Jahrzehnten ihres Zusammenspiels hat das Hagen Quartett eine Reife erreicht, die es ihnen erlaubte, ein Konzert wie eine Hausmusik zu spielen, bei dem sie sich unbeeindruckt vom Umfeld ganz dem Musikmachen widmen und so völlig unprätentiös agieren können. Das äußerte sich in verschiedenen Aspekten. So nutzten sie eine große dynamische Bandbreite, die mehr noch die leisen und leisesten Nuancen auslotete und laute Markierungen nur sehr gezielt setzte. Dabei zwangen sie einerseits die Zuhörer, sich genau dem Geschehen hinzugeben, um auch ja jeden Hauch wahrnehmen zu können. Andererseits ließen sie so jeden Spielraum für feinstes und die Wahrnehmung von Kleinigkeiten ermöglichendes Ensemblespiel. Diese dynamische Sensibilisierung führte zu genauester Abstimmung im Quartett, die trotz des langen gemeinsamen Weges in ungebrochen aufmerksamer und aufeinander horchender Beobachtung der Beteiligten mündete. Nachlassende Aufmerksamkeit oder gar Müdigkeit waren so weit entfernt wie nur denkbar.
Auch in der Phrasierung hatten sie einen reduziert scheinenden und umso wirkungsvoller die Musik transportierenden Weg gefunden. Alle Hervorhebungen, von Betonungen oder Akzenten mochte man fast nicht reden, wurden so ungekünstelt und charmant gesetzt, dass sie umso deutlicher hervortreten und die Beziehungen im Ensemble offen legten.
So vermochten sie, sowohl die Stimme Mozarts zu zeigen wie auch manche mehr oder weniger versteckte Hommage an Haydn zu artikulieren. Beispielhaft sei hier der letzte Satz des Es-Dur Quartetts genannt, der mit seinen kurzen Floskeln mit Echowirkung beim Hagen Quartett den Humor von Haydn aufzugreifen schien. Auch die für ihre Zeit harmonisch exzentrischen Formulierungen, die weit über die Zeit hinausweisen, wurden pointiert beleuchtet.
Nach diesem genussreichen Beginn wurde noch ein umfangreiches Werk aufgetischt, das Quintett in reiner Streicherbesetzung von Franz Schubert. Hier kam Cellist Gautier Capuçon für die fünfte Stimme hinzu. Wer nun gedacht haben mochte, dass der große Solist die Fäden in die Hand nimmt, sah sich getäuscht. Aufs präziseste in den Ablauf eingebunden und in engem Kontakt mit den vier Quartettmitgliedern, insbesondere seinem Stimmkollegen Clemens Hagen, aber auch immer Primarius Lukas Hagen im Blick, wusste Capuçon sich in das bestehende Geflecht so einzuweben, dass er seine hervortretenden Stellen maßvoll ausleben konnte und in den begleitenden Momenten mit abgestimmt feinsinnig Tupfer seine gleichberechtigte Stellung verdeutlichte. Dass ein großer Solist sich so aufmerksam ein- und damit quasi unterordnete, kann im Sinne eines homogenen Zusammenwirkens gar nicht genug geschätzt werden.
So wurde das Quintett, mit himmlischen Längen, einem eigentlich für die große C-Dur Symphonie geprägten Bonmot, in einer zutiefst vertraulichen und aushorchenden Atmosphäre auf der Bühne dargereicht. Dass es in diesem Werk zu mehr großvolumigen Momenten kam, lag zum einen an der größeren und vor allem tiefer gewichteten Besetzung und zum anderen an einer schon einer anderen Epoche angehörenden Musik.
Dieser Abend bot nur Wiener Klassik. Aber die bot er so fantastisch, auch wenn gerade beim Primarius auch mal eine Saite nicht ansprach, dass sich mancher Zuhörer nach dem Konzert gefragt haben mag, brauche ich noch jemals etwas anderes?