Zwei Requien waren beim Gastspiel der Ensembles des Bayerischen Rundfunks, nämlich dem Chor und des Symphonieorchesters im Wiener Konzerthaus zu hören. Dabei gehörte das erste von Mark-Anthony Turnage mit dem Titel Remembering nicht zu den allgemein geläufigen Werken. Es erlebte vor Ort sogar seine Erstaufführung. Das zweite, Ein deutsches Requiem, von Johannes Brahms ist eines der bekanntesten und regelmäßig aufgeführten. Uwe Krusch erlebte für Pizzicato beide Werke, die sich auch in anderer Hinsicht deutlich unterschieden.
Das halbstündige Remembering von Turnage ist einer Person, nämlich dem früh an Krebs verstorbenen Sohn Evan Bingham seines engen Freundes John Scofield gewidmet. Das aus dem Grundstock eines Klavierstücks entstandene viersätzige Werk kommt nicht nur ohne Singstimmen aus, sondern fokussiert die ansonsten große klassische Orchesterbesetzung mit Klavier/Celesta und Harfe bei den Streichern auf die dunklen Stimmen, kommt also auch ohne Violinen aus. Daraus ergibt sich bereits ein ungewöhnliche Aufstellung der Instrumente auf der Bühne sowie eine ungewohnte Klangfärbung.
Das Werk, das die deutliche Handschrift von Turnage trug und einen unschwer an das doppelt so lange Scorched des Komponisten erinnerte, gestaltete die ausgedrückte Trauer unschwer nachvollziehbar. Turnage bewältigte den Spagat zwischen allgemein gültiger symphonischer Form, die nur durch Saxophon und groß besetztes Schlagzeug jazzige Elemente aufgriff, und den Merkmalen der Persönlichkeit von Evan Bingham, die Turnage ausdrücken wollte.
Unter dem alle Details im Auge behaltenden Dirigat von Simon Rattle formte das Orchester die vier Teile mit hingebungsvollem Einsatz, der auch ausdrucksvolle Soli von den Streichern bot. Sie präsentierten die gelungene Verbindung der musikalischen Vorstellungswelten des Komponisten. Wenn auch ´hier das Schwergewicht auf der klassischen Seite lag, so spielte die Seite des Jazz mit hinein. Mit melancholischer Färbung wurde vom Orchester die charakteristische Klangwelt aufgebaut, die zu einem ausgesprochen runden und stimmigen Ergebnis führte. Die auch für das Orchester, zumindest die Streicher ungewohnte Situation, wurde ohne Abstriche, vielmehr vielleicht befreit vom üblichen Vorrang der Violinen, exzellent umgesetzt.
Bei Brahms Requiem, für den Trost der Hinterbliebenen geschaffenen, gab es vor allem einen Beteiligten, der alle Anwesenden überzeugte, nämlich den Chor. Bestens vorbereitet und bei dem Requiem von Brahms mit vielen Partien betreut, zeigte er sich ebenso stimmstark wie aufmerksam sensibel singend, ohne dabei die präzise Artikulation zu vergessen. So in Höchstform ernteten die Sänger den größten Beifall.
Doch auch alle anderen Mitwirkenden überzeugten. Weiterhin auf höchstem Niveau spielte das Orchester, jetzt wieder in normaler Besetzung, wobei der Beginn bei Brahms auch ohne Violinen auskam, die erst später einsetzen mussten.
Die Gesangssolisten des Abends waren die Sopranistin Lucie Crowe für den fünften Satz „Ihr habt nun Traurigkeit“ sowie Bariton Florian Boesch, der kurzfristig für den erkrankten André Schuen übernommen hatte. Lucy Crowe sang mit gut geführter Stimme, die sie ebenso leuchtend wie warm einsetzte. Manchmal mochte man einen theatralischen Effekthören, der ein wenig forciert wirkte. Der eingesprungene Florian Boesch bot hervorragenden Gesang, der gestalterisch wie auch vokal seine beste Seite zeigte.
Damit bot der Abend zwei herausragend dargestellte Werke, die auch in der Kombination eine wertvolle Sicht boten. Für die neue rein instrumentale Komposition und das immer noch spannende bekannte Werk wurden die Unterschiede im Ausdruck ebenso nuancenreich wie mit lebendigem Ausdruck ausgestaltet. Gemein war beiden die nahegehende Traueraussage.