Nach zehn Jahren steht die Wagner-Oper Die Meistersinger von Nürnberg wieder auf dem Programm der Wiener Staatsoper, dies in einer Neuinszenierung von Keith Warner. Alain Steffen berichtet.
Nachdem Philippe Jordan Anfang Oktober angekündigt hatte, seinen Posten als Musikdirektor der Wiener Staatsoper ab 2025 nicht mehr verlängern zu wollen – dies wegen der Auswüchse des modernen Regietheaters – konterte Direktor Bogdan Roscic kurz vor der mit Jordan angesetzten Meistersinger-Premiere mit dem Statement, ab der Spielzeit 25/26 keinen Musikdirektor mehr verpflichten zu wollen.
Bei dieser Meistersinger-Premiere stellte sich nun das Wiener Publikum hörbar hinter den noch amtierenden Musikdirektor und überschüttete ihn, noch ehe auch nur eine Note erklungen war, mit Jubel und lang anhaltendendem Beifall. Dass das Publikum letzlich diese Neuinszenierung der Wagner-Oper durch den englischen Regisseur Keith Warner kritiklos und mit einiger Begeisterung aufnahm, mag verschiedene Gründe haben. Einerseits bejubelte man die Produktion wegen Philip Jordan und einem zum großen Teil herausragenden Sängerensemble, andererseits wegen der Tatsache, dass die letzte Meistersinger-Inszenierung auf das Jahr 1975 und auf Otto Schenk zurückgeht. Und weil es seit 10 Jahren keine Meistersinger-Aufführung mehr an der Wiener Staatsoper gegeben hat, dürfte das Publikum einfach glücklich gewesen sein, endlich wieder einmal diese wunderbare Musik und dieses herrliche Stück hier erleben zu dürfen. Warner erzählt die Geschichte aus der Perspektive von Hans Sachs und vermischt in seiner Erzählung Realität und Traum, Zeitlosigkeit und Wahn. Die Geschichte wird kontinuierlich und ohne Ausrutscher erzählt, konzentriert sich auf die philosophischen und menschlichen Gedanken, Gefühle und Perspektiven und erhält dadurch trotz des Lustspielcharakters eine eher ernste Bedeutung. Einen nachhaltigen Eindruck aber hinterlässt Warner mit seiner Arbeit nicht.
Die Bühnenbilder von Boris Kuslicka sind eher karg und praktisch. Leider sind auch viele Einfälle von Warner unklar und überflüssig. Der grüne Kobold mit Nietschekopf ist zwar lustig, hat aber keine wesentliche Bedeutung für die Handlung. Viele Beleuchtungen und Settings sind hart am Kitsch, einige Ideen wirken wie « das haben wir doch schon gesehen“ und auch hinzugedichtete Szenen, wie in der Festwiesenszene, wo Sachs an seinem eigenen Grab kniet, bleiben ohne Wirkung.
Ein, bis auf eine Ausnahme, hervorragendes Sängerensemble garantierte eine packende Aufführung. Allen voran Michael Volle als Sachs, der sowohl gesanglich wie auch darstellerisch eine Glanzleistung absolvierte, obwohl ihm im 3. Akt etwas die Puste ausging. Hervorragend war auch Wolfgang Koch, der Beckmesser als die einzige Figur charakterisierte, die sich aus den Konventionen löst und Risiken eingeht. Keine Karikatur, sondern ein ernstzunehmender Künstler, der bei seinem Festwiesenvortrag in einem schillernden Sergeant Pepper-Look erscheint und seiner Zeit deutlich vorausscheint. Blass und langweilig dagegen war der Stolzing, der mit dem jungen David Butt Philipp fehlbesetzt war. Zwar hat er ein schönes Timbre, seine Intonation war aber sehr zittrig (Premierenfieber?), die Stimme wenig tragfähig, eher glanzlos und eng in der Höhe. Auch darstellerisch blieb er recht schwach. Exzellent dagegen war Hanna-Elisabeth Müller, die mit höhensicherem Sopran und einer sehr frischen und wendigen Stimme in jedem Moment begeisterte. Die äußerst spielfreudige Sängerin hatte keine Schwierigkeiten, die Figur der Eva glaubwürdig auszuloten. Michael Laurenz war ein David von stimmlicher Eleganz und im ersten Akt Philips sprödem Stolzing haushoch überlegen. Georg Zeppenfeld begeisterte mit warmer Tongebung und einem herrlich fließenden Gesang als Pogner, während Martin Häßler als Kothner und Christina Bock als Magdalena durchgehend überzeugten.
Philip Jordan dirigierte mit schnellen Tempi und hielt das Staatsopernorchester an, leicht, flexibel und mit brillantem, aber feinem Klang zu spielen. Damit rückte Jordan die Meistersinger in Richtung Konversationsoper und entging damit einem überladenen Pathos.
Zum Schluss gab es jubelnden Beifall für alle, einige gerechtfertigte Buhs für Warner und ein Blumenregen für den Dirigenten und Musikdirektor Philippe Jordan.