Obwohl diese CD eher zufällig in meinen Player geraten ist, muss ich zugeben, durch sie einen ganz neuen Brahms für mich entdeckt zu haben. In der letzten Zeit hat mich kaum eine Aufnahme von Brahms‘ Klaviermusik auf Anhieb so fasziniert, wie diese hier mit der jungen Pianistin Sophie-Mayuko Vetter. In den letzten Jahren habe ich – mit Ausnahme von Anna Gouraris wunderbarer Einspielungen der späten Klavierstücke op. 116-119 und Adam Laloums feinsinnigen Interpretationen verschiedener Klavierwerke – kaum Interpretationen von Brahms‘ Klavierwerken gehört, die mir wirklich gefallen haben und im Gedächtnis geblieben sind. In Sachen Brahms bin daher lieber bei meinen ‘alten Bekannten’ Emmanuel Ax, Elisabeth Leonskaja und Peter Rösel hängen geblieben.
Doch nun zur Vetter-CD. Die junge Pianistin schafft es, die Brahms-Werke, insbesondere die ‘Drei Intermezzi op. 117’, die ‘Sechs Klavierstücke op. 118’ und die ‘Vier Klavierstücke op. 119’ unheimlich schön und fließend zu interpretieren. Dabei tritt ein sehr musikantischer Aspekt in den Vordergrund, den viele Interpreten gerade bei diesen späten Werken vernachlässigen. Wir begegnen nicht dem schwergewichtigen, bärtigen Brahms, sondern einem innerlich jung gebliebenen, experimentierfreudigen und sehr emotionalen Brahms. Sophie-Mayuko Vetter vermeidet es, diese Werke mit symphonischem Charakter und zu kraftvollen Akzenten zu spielen, vielmehr ist sie um Transparenz und Klangstrukturen bemüht. Ihre Interpretationen sind sehr differenziert, ihr leichtfüßiges Spiel und der nach oben hin offene Klang bringen die Musik zum Atmen und geben ihr eine ungewohnte klangliche Frische.
Dazu gelingt der Pianistin das Kunststück, jedem der hier interpretierten Werke einen eigenen Charakter und eine eigene Farbenskala zu geben. Sie bringt es fertig, die Leichtigkeit ihres Spiels nahtlos mit einer emotionalen Tiefe zu kombinieren, die in jedem Moment authentisch und empathisch wirkt. Die Interpretationen, obwohl sie wunderschön sind, lösen sich von der typisch deutschen Romantik-Periode und weisen bereits auf zukünftige Musikergenerationen hin. Wenn auch die genannten späten Klavierwerke op. 117-118 den Kern dieser CD bilden, so soll man die ebenfalls hier vorgestellten kleineren Werke nicht vernachlässigen.
Gerade in diesen ein- bis zweiminütigen Stücken ist es oft schwer, nachhaltige Stimmungen und Eindrücke zu vermitteln. Aber auch damit hat Sophie-Mayuko Vetter keine Probleme. Auf eine sehr natürliche Weise haucht sie diesen Miniaturen (Klavierstück B-Dur, Albumblatt a-Moll, Kanon f-Moll, Sarabande Nr.1 a-Moll, Gavotte Nr. 1 & 2) Leben ein und macht sie durch ihr authentisches Spiel zu wahren kleinen Kostbarkeiten.
Diese CD ist nicht nur eine interpretatorische Großtat, die gerade durch ihre Schlichtheit fasziniert, sondern sie zeigt zudem eine junge Interpretin, die eine hervorragende Spieltechnik besitzt und die ihre Kenntnisse in der historischen Aufführungspraxis gekonnt auf den klassischen Flügel überträgt. Der Gewinner ist in jedem Falle Johannes Brahms und natürlich der Hörer. Prädikat: äußerst wertvoll!
Sophie-Mayuko Vetter plays the late Brahms music with a light and fresh touch, emotionally committed and never selfish: Very clearly, Brahms is here the winner.