Hans Zenders ‘Schuberts Winterreise’ ist, wie der Komponist schrieb, « eine komponierte Interpretation’ des Liederzyklus, wobei der Klavierpart von einem solistisch besetzten Kammerorchester übernommen und damit eigentlich erweitert wird. Während man darüber diskutieren kann, ob die Zender-Interpretation dem Zyklus wirklich etwas bringt, scheint mir im Falle der Ballett-Deutung diese Diskussion noch eher angebracht. Wir entfernen uns eigentlich immer mehr von Schubert, und es kommt zu etwas Neuem, Ergänzendem. Die starken Tanzbilder, die Christian Spuck entwirft, beschäftigen das Auge und das damit vernetzte menschliche Hirn so sehr, dass die Musik abstrakter wird, und die optische Umsetzung der Winterreise neue Interpretationsmöglichkeiten schafft, die die Komposition verändern. Mit dem Original wäre das in dieser speziellen Form nicht möglich gewesen, könnte man nicht zu den neuen Assoziationen finden, die sich so aber durchaus bieten.
Spucks einfallsreiche Choreografie wird von den Ballettsolisten ausdrucksvoll umgesetzt, und das Philharmonia Zürich musiziert unter Benjamin Schneider nicht weniger packend. Musik und Tanz lassen in einem grauen Betonkasten mit einigen Schneeflocken am Boden die innere Verzweiflung des Wanderers spürbar werden.
Und so wird diese Produktion im Zusammenwirken der von Spuck gemischten Ingredienzien aus den Küchen von Müller, Schubert und Zender zu einem nachhaltigen Erlebnis. Den Gesang von Mauro Peter nimmt man dabei immer nur als ein Element der Zender-Bearbeitung wahr, d.h. er verliert eigentlich an Bedeutung. Für den, der diesen Text aber gut kennt, sollte das kein Hindernis sein, zum Kern der Musik und ihrer Bedeutung vorzudringen.
Hans Zender’s ‘Schubert’s Winterreise’ is, as the composer wrote, « a composed interpretation’ of the song cycle, with the piano part taken over by a chamber orchestra and thus actually extended. While one can debate whether the Zender interpretation really adds anything to the cycle, in the case of the ballet interpretation this discussion seems to me even more appropriate. We are actually moving further and further away from Schubert, and something new and complementary is emerging. Christian Spuck’s strong dance imagery engages the eye and the connected human brain so much that the music becomes more abstract, and the visual realization of Winterreise creates new interpretive possibilities that change the composition. This would not have been possible with the original in this particular form, one could not find to the associations initiated by this ballet.
In a gray concrete box with a few snowflakes on the ground Spuck’s imaginative choreography is expressively realized by the ballet soloists, and the music of the Philharmonia Zürich under Benjamin Schneider is no less gripping. Music and dance make the inner despair of the wanderer palpable.
And so, in the interaction of the ingredients mixed by Spuck from the kitchens of Müller, Schubert and Zender, this production becomes a lasting experience. The singing of Mauro Peter is always perceived as only one element of Zender’s arrangement, i.e. it actually loses significance. But for those who know this text well, this should not be an obstacle to penetrate to the core of the music and its meaning.