Der 27-jährige ukrainische Geiger Aleksey Semenenko zeigt mit seiner neuen Duo-CD ‘French Treasures’ (Rezension) eine ganz neue Affinität zum französischsprachigen Raum, ebenso ist Semenenkos tiefe Symbiose mit der russischen Pianistin Inna Firsova zu erleben. Im Interview zeigte er sich als bescheidener, aber zugleich selbstbewusster Nachwuchskünstler, der frisch in der internationalen Karriere angekommen ist.
Was macht Ihre intensive Verbindung mit Inna Firsova aus?
Ganz einfach: Wir sind seit fast sechs Jahren als Paar zusammen. Inna ist einfach eine fabelhafte Pianistin. Dadurch hat sich alles von selbst ergeben.
Das macht die künstlerische Arbeit doch sicher viel schöner und einfacher?
Nicht nur. Manchmal wird es schwieriger dadurch – vor allem, wenn wir proben. Wenn man so nah zueinander ist, gibt es keine Hemmungen. Jeder Austausch ist extrem direkt. Mit anderen Künstlern gibt es viel mehr höfliche Distanz.
Jetzt aber mal zu den positiven Seiten!
Jede aufgeregte Stimmung lässt schnell wieder nach. Wir fühlen einander so gut und das erlaubt der Musik ganz neue Möglichkeiten. Wir können perfekt miteinander verschmelzen. Das Publikum bestätigt uns immer wieder, dass es auf der Bühne auch so wirkt. Und es ist sehr angenehm und hilfreich, wenn einem ein naher Mensch immer den Rücken stärkt. Bei allem, was ich gerade mache, kann ich jederzeit Inna fragen. Das ist eine ungeheure Bereicherung, die uns niemand nehmen kann. Wir haben eine sehr nahe Beziehung, in jeder Hinsicht.
Wie sind Sie für Ihre Debut-CD auf das Thema Frankreich gekommen?
Das hat sich eigentlich eher zufällig ergeben. Ich habe von einem guten Freund diese Anregung bekommen. Ich habe bewusst Stücke ausgewählt, die im Standardrepertoire seltener vorkommen. Die Sonate von Francis Poulenc liegt mir schon lange am Herzen, auch das Poème von Ernest Chausson ist mir schon lange vertraut. Und Claude Debussy ist sowieso einer meiner Lieblingskomponisten. Die relativ unbekannten Bearbeitungen seiner Kompositionen für Violine sind echte Bonbons für mich.
Ich denke es ist auch ganz wichtig, mal etwas Neues auf den umkämpften Tonträger-Markt zu bringen.
Ja, ich hoffe, dass unsere CD auch im französischsprachigen Raum auf viel Interesse stößt.
Die Walzer-Variationen von Camille Saint-Saëns zum Finale bescheren der Dramaturgie auf dieser CD ja nochmal eine ungeheure Steigerung. Empfinden Sie als erfahrener, perfekter Spieler, der Sie sind, überhaupt noch so etwas wie Schwierigkeit?
Oh ja, vor allem die Coda ist wirklich beängstigend!
Formen Sie für das französische Repertoire ganz bewusst eine spezifische Klangwelt?
Die französische Musik hat ja – im positiven Sinne – etwas Parfümiertes. Entsprechend versuche ich, einen betont weichen Klang zu formen, indem ich häufig nah am Griffbrett spiele. Fast so, dass es manchmal fast wie eine Querflöte klingt. Aber es gibt auch Gegenteiliges. Poulenc kann ja manchmal richtig gewaltig werden. Das alles ist schon ein sehr großer Unterschied zu bisherigem Repertoire wie Tschaikowsky oder Paganini.
Gibt es einen Unterschied zwischen einer Studioaufnahme und einem Konzert?
Oh ja, und der ist riesig. CD-Aufnahme ist harte Arbeit und oft kein Spaß. Man muss oft dieselben Parts endlos wiederholen. Es fehlt die Energie des Livekonzertes vor Publikum. Vieles hängt letztlich von einem guten Tonmeister ab.
Der hat ja wirklich hervorragende Arbeit geleistet auf dieser CD.
Bei der Aufnahme haben Studierende der Düsseldorfer Hochschule mitgearbeitet.
Sie haben vom Deutschen Musikinstrumentenfonds eine Stradivari verliehen bekommen. Welche Beziehung haben Sie zu diesem Instrument?
Ich hatte schon vorher zwei Geigen, die sehr gut waren und nun die Stradivari. Ich sehe darin eine hohe Verantwortung für mich als Künstler. Aber das Instrument bleibt immer ein Mittel zum Zweck. Letztlich spielt man doch sich selber. Das Instrument wird nie für sich alleine klingen. Jemand der mittelmäßig ist, wird auch auf der besten Stradivari mittelmäßig klingen. Und von einem hängt sowieso immer alles ab: Vom Üben!
Ihr letzter Lehrer, Zakhar Bron, wird in diesem Jahr 70 Jahre alt. Wie haben Sie Zakhar Bron erlebt?
Zakhar Bron ist ein großartiger Lehrer, der schon hunderte von Preisträgern ausgebildet hat. Auf eines legt Zakhar Bron großen Wert: Man muss immer seinen eigenen Kopf dabei haben und eine eigene Einstellung entwickeln. Denn es geht ja darum, dass man keine Kopie von etwas anderem wird. Zu Anfang war vieles recht unbequem. Aber ich habe immer mehr begriffen, wie man klanglich und technisch mit vielen Sachen umgeht. Das hat meinem Spiel sehr viel neues Volumen vermittelt. Zakhar Bron hat mich dazu ermutigt, eigenständige künstlerische Ergebnisse zu entwickeln. Ich finde, er ist einer der wenigen, der dies so überzeugend vermitteln kann.
Was haben Sie nach dem Konzertexamen gelernt, was das Studium nicht vermitteln konnte?
Ich habe erst nach dem Studium richtig gelernt, das Ganze mehr von oben zu betrachten. Und nicht mehr darüber nachzudenken, wie es der eigene Lehrer sieht. Vor allem: Der Horizont weitet sich umso mehr, je mehr man sich mit anderen Meinungen auseinandersetzt. Auch haben mich Festivals weiter gebracht. In Luxemburg habe ich mit dem Cellisten Gary Hoffmann gespielt. Allein das Proben dazu hat mich schon wieder 1000 Schritte weiter gebracht. Es tun sich immer neue Wege auf und führen ständig zu ungeahnten musikalischen Ergebnissen. Vorausgesetzt, man ist offen für die Kommunikation mit anderen Musikern und erweitert ständig das Repertoire.
Sie sind jetzt schon gut in der internationalen Profikarriere unterwegs. Wie unterscheidet sich Ihr beruflicher Alltag von früher?
Es ist schon manchmal anstrengend, alles termingerecht fertig zu bekommen. Das Gute daran ist eine weitgehende finanzielle Unabhängigkeit. Wenn ich eine große und lange Arbeit hinter mir habe, bin ich stolz. Es kommt drauf an, wirklich dranzubleiben. Wenn ich nicht regelmäßig übe, dann ist das so, wie wenn ein Muskel schnell erschlafft. Ich muss auf meine Gesundheit und meine Hände aufpassen. Worüber ich mich sehr freue, ist die mittlerweile recht gute mediale Präsenz. Das ist vor allem einigen sehr gelungenen Videos zu verdanken, durch die wir über YouTube viele Fans bekommen haben.
Es gibt extrem viele hervorragend ausgebildete Musiker und es werden immer mehr. Produziert diese Situation einen Konkurrenzdruck?
Die Konkurrenz ist enorm. Aber letztlich hängt alles davon ab, dass man die richtigen Leute auf dem Weg findet. Natürlich ganz abgesehen davon, dass man gut spielen muss.
Was ist Ihre Energiequelle? Gibt es kreative Pausen?
Ich genieße es, draußen in der Natur zu sein und angeln zu gehen. Wenn ich Urlaub mache, kann sich auch mal das schlechte Gewissen erholen. Aber nach etwa fünf Tagen ermahnt es mich schon wieder zum Weitermachen.
Sie haben auch einen intensiven Bezug zur Natur?
Ja, und zwar sowohl zur irdischen als auch zur außerirdischen. Aber nicht im Sinne strenger Wissenschaftlichkeit. Mich interessiert viel mehr das Fantasievolle daran. Fantasie ist ein Reichtum, den man nicht kaufen kann.
Widerspiegelt sich das in Ihrem Musikmachen?
Ich habe selten imaginäre Bilder. Die Musik ist so, dass man sie nicht fassen kann. Ich fühle sie als Musik.
Was bedeutet Ihnen das Reisen?
Ich liebe Reisen. Jeder neue Ort und neue Menschen machen mich reicher. Das erwärmt immer mein Herz immer aus neue. Asien habe ich schon geschafft. Ich war in Japan, Singapur und Korea. Südamerika ist ein Wunsch von mir. Und es gibt noch viele Plätze mehr.
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