(Guy Engels) – 1939 war eines jener Schreckensjahre, die die Menschheit mit schöner Regelmäßigkeit in den Abgrund führen, mit dem Unterschied, dass der Abgrund hier gleich der Höllenschlund war.
Die Bedrückung, die Ängste, die schlimmen Vorahnungen jener Tage fanden ihren Niederschlag auf sehr unterschiedliche Weise in den drei hier eingespielten Werken.
Waltons Violinkonzert entstand während eines Italienaufenthaltes und lässt kaum etwas von der heraufziehenden Apokalypse ahnen. Fabiola Kim interpretiert diese Partitur mit voller Leidenschaft. Sie lässt sich vom Feuer der Musik antreiben, das sich vor allem in ihrer stupenden Virtuosität entfacht.
Von der Ausgelassenheit, die sich in der Walton-Partitur immer wieder die Bahn bricht, ist in den beiden anderen Werken nichts zu spüren. Mit
« Leere, Hoffnungslosigkeit » wird Karl Amadeus Hartmann im Booklet zitiert. Diese Stimmung treffen Fabiola Kim, die Münchner Symphoniker und Kevin John Edusei auf den Punkt. Der bedrohlich-poetische Gestus zu Beginn des Concerto funèbre zieht sich wie ein roter Faden durch das Werk. Die innere Spannung lässt nie nach. Wie Fabiola Kim die Zerbrechlichkeit menschlicher Existenz vorführt, bedrückt zutiefst.
Um der Drohkulisse noch Nachdruck zu verleihen, lässt Kevin John Edusei immer wieder mit hämmernden Rhythmen sein Orchester wie eine Marschkolonne von Soldaten aufziehen.
Ähnlich messerscharfe Kontraste prägen auch das Zweite Violinkonzert von Bela Bartok. Die Prägnanz der Stimmungswechsel entwickelt im Laufe der knapp 40 Minuten eine starke Sogwirkung.
(Uwe Krusch) – Ob und wie Menschen ihre Umgebung wahrnehmen oder gar in die Zukunft schauen und welche Schlüsse sie daraus ziehen, entwickelt sich immer ganz persönlich und damit durchaus unterschiedlich. Während William Walton sein Violinkonzert nach einer Operation sozusagen in der Kur im sonnigen Italien schrieb, haben Bartok und Hartmann sehr intensiv die gesellschaftlichen und politischen Veränderungen in Deutschland bzw. Ungarn begleitet und daraus für sich ihre Schlüsse gezogen, also Ausreise bzw. innere Immigration. Damit ist allen Stücken ihre eigene Intensität immanent.
Die Geigerin Fabiola Kim, als brillant mit außergewöhnlicher Präzision und Leuchtkraft beschrieben, stellt nun diese drei Kompositionen zusammen mit den Münchner Symphonikern unter ihrem Chef Kevin John Edusei vor. Mit direktem Zugriff stellen die Beteiligten die drei Werke vor, wobei die spieltechnische Qualität der Solistin ebenso zur Geltung kommt wie die zupackende Energie des Klangkörpers. Die koreanische Geigerin zeigt mit den drei Werken die Vielseitigkeit ihres Repertoires an. Denn obwohl die Entstehung, abgesehen von späteren Überarbeitungen, zeitlich gewissermaßen parallel geschah, haben die drei Komponisten so unterschiedliche Hintergründe, dass auch die kompositorischen Antworten unterschiedlich ausfielen.
Der Höreindruck ist auch aufgrund des aufnahmetechnisch direkten Ansatzes einerseits sehr intensiv und klar gestaltet. Andererseits vermisst man ein wenig die Hörbarmachung der gedanklichen Hintergründe und Gewissenqualen bei der Entstehung der Werke.