Der Dirigent Gerd Schaller, der mit seiner Philharmonie Festiva jedes Jahr den Ebracher Sommer bestreitet, hat vor zwei Jahren eine Einspielung der Neunten Symphonie von Anton Bruckner vorgelegt, bei der er nach den vorliegenden Skizzen zum vierten Satz diesen komplettiert hat. Nunmehr legt er eine weitere Einspielung vor, bei der dieser Satz nochmals eine Überarbeitung erfahren hat.
Zu der Einspielung kann im Großen und Ganzen das bereits für die frühere Aufnahme Gesagte wiederholt werden. In der Neuauflage werden die beiden ersten Sätze punktgenau im gleichen Tempo gespielt, während der dritte und der vierte geringfügig länger werden.
Im dicken Beiheft äußert sich Schaller zu seinem grundsätzlichen Antritt, seinen Zweifeln und Überlegungen und erläutert dann im Detail anhand des Verlaufes des Satzes sein Vorgehen. Er hat sich so weit möglich auf die heute noch vorliegenden Entwürfe gestützt und versucht, diese hörbar zu machen. Ein Zitat der abschließenden Ideen Bruckners war nicht sein Ziel, da man diese nicht kennen kann. Aber eine Ergänzung der vorhandenen Informationen im Spätstil des Komponisten war sein Anliegen. Gegenüber der ersten Fassung hat er Änderungen hinsichtlich der Einbeziehung früherer Werke von Bruckner dergestalt vorgenommen, dass er keine wörtlichen Zitate mehr verwendet, sondern nur Charaktere. Außerdem hat er seiner Version nach der Aufführung der ersten Sicht auch spieltechnisch noch Verfeinerungen angedeihen lassen, um die Handhabung zu erleichtern.
In dieser Lesart wird vor allem deutlich, dass Bruckner mutige musikalische Schritte in die Zukunft gerichtet hat. Damit wird dieser Satz zu einem ungewohnten und damit zugleich aufrüttelnden, aber auch inspirierenden Blick in diese Welt. Ein Diskussionsbeitrag, der dank der profunden Auseinandersetzung mit der Thematik sehr beachtenswert ist.