Der im ukrainischen Kiew Ende 1874 oder Anfang 1875 geborene Reinhold Glière wurde u.a. am Moskauer Konservatorium von Tanejev, Ippolitov-Ivanov und Arensky ausgebildet, wie auch in Berlin von Oskar Fried. Zu den Studenten von Glière gehörten auch Myaskovsky und Prokofiev. Vor allem für groß besetzte Werke wie die Symphonie Nr. 3 ‘Ilya Muromets’ ist er bekannt. Sein Harfenkonzert wird als rares Beispiel der Gattung immer mal wieder aufgeführt. Seine Kompositionen zeichnen sich durch impressionistische und spätromantische Komponenten aus, in die nationale Elemente einfließen.
Wenig gespielt wird seine Kammermusik. Das 2017 unter seinem Namen in Wien gegründete Quartett bietet mit dieser Einspielung Abhilfe. Die beiden ersten der vier Quartette zeichnen sich durch strukturell klare und geradlinige Gestaltungen aus, die von volkstümlichen Elementen und großen Gefühlswelten illustriert werden.
Zwischen die Ecksätze hat Glière im ersten Quartett zunächst einen leichteren Satz wie ein Intermezzo und danach ein Thema mit Variationen gefügt, bei dem man einmal mehr die melodische Erfindungskraft des Künstlers bewundern kann. Das melancholische Thema ist geprägt von Traurigkeit und Sehnsucht, die sich in den Variationen bis hin zur Melancholie weiterentwickelt, ehe im Finale Schwung und Optimismus wiederkehren.
Das zweite Streichquartett, Rimsky-Korsakov gewidmet, wird geprägt von einem melodiösen, aber nostalgischen Thema, das mit modulierenden Episoden und mehrstimmigen Abschnitten bereichert wird und den Charakter einer romantischen Ballade anklingen lässt. Die beiden letzten Sätze werden bestimmt durch folkloristische Elemente bis hin zu einer orientalischen Schattierung. Es mündet in eine wilde und leidenschaftliche Erzählung.
Diese stimmungsvolle Musik wird vom Glière String Quartet intensiv und auch sorgfältiger Umsetzung wiedergegeben. Dabei lässt sich das Ensemble bei einzelnen Akkorden zu einer etwas salopp brüsken Abphrasierung hinreißen. Gelegentlich hätte es sich in der Intonation und der Ausformung des musikalischen Geschehens noch sorgfältiger abstimmen können. Insgesamt aber bietet es spielfreudige und die Stimmungen geschmackvoll hebende Interpretationen dieser beiden Quartette an. Damit bieten sie spannende Sichten auf diese beiden Werke an und machen so deutlich, warum sie Glière als Namenspatron ihres Quartetts gewählt haben.
Born in Kiev in late 1874 or early 1875, Reinhold Glière was trained at the Moscow Conservatory by Taneyev, Ippolitov-Ivanov and Arensky, as well as in Berlin by Oskar Fried. Among Glière’s students were also Myaskovsky and Prokofiev. He is best known for large-scale works such as Symphony No. 3 ‘Ilya Muromets’. His Harp Concerto is performed from time to time as a rare example of the genre. His compositions are characterized by impressionistic and late romantic components, into which national elements flow.
Little performed is his chamber music. The quartet founded under his name in Vienna in 2017 offers a remedy with this recording. The first two of the four quartets are characterized by structurally clear and straightforward designs, illustrated by folk elements and large emotional worlds.
Between the corner movements, Glière has inserted in the first quartet first a lighter movement like an intermezzo and then a theme with variations, in which one can once again admire the composer’s melodic inventiveness. The melancholy theme is characterized by sadness and longing, which develops in the variations to the point of melancholy, before momentum and optimism return in the finale.
The second string quartet, dedicated to Rimsky-Korsakov, is characterized by a melodious but nostalgic theme enriched with modulating episodes and polyphonic sections, hinting at the character of a romantic ballad. The last two movements are determined by folkloric elements up to an oriental shading. It leads into a wild and passionate narrative.
This atmospheric music is rendered intensely and also carefully by the Glière String Quartet. At the same time, the ensemble allows itself to be carried away by a somewhat casually brusque phrasing of individual chords, just as it could occasionally coordinate itself more carefully in intonation and the shaping of the musical events. On the whole, however, it offers interpretations of these two quartets that are joyful to play and tastefully elevate the moods. In doing so, they offer exciting views of these two works, making it clear why they chose Glière as the namesake of their quartet.