Nachdem mir eine CD mit Liedern von Benjamin Godard keinen besonders nachhaltigen Eindruck gemacht hatte, ist dieses zum ersten Mal eingespielte Programm wirklich hoch interessant. Und dass Benjamin Godard mit diesen Kompositionen Karriere machen kann, ist letztlich auch das Verdienst eines ebenfalls Karriere machenden jungen belgischen Dirigenten mit starkem Luxemburg-Bezug, denn der unweit der luxemburgischen Grenze, in Arlon geborene David Reiland leitet im Großherzogtum das ‘Orchestre de chambre du Luxembourg’ und das Ensemble für zeitgenössische Musik ‘Lucilin’.
Benjamin Godard (1849-1895), als Geiger ein Schüler von Henri Vieuxtemps, wird neuerdings und nicht zuletzt durch den Einsatz des ‘Palazzetto Bru Zane’ wiederentdeckt. Dabei waren seine stimmungsvollen ‘Trois Morceaux’ zu seinen Lebzeiten ein echter Publikumserfolg. Auch seine ‘Symphonie gothique’ bezeichneten französische Kritiker als ein « sehr originelles und interessantes Werk; der geniale Komponist, der uns so viel hübsche Musik für Klavier und für Orchester geliefert hat, präsentiert sich uns jetzt mit einem ernsteren Stück, an dem die stilistische Noblesse und die sehr gekonnte Orchestration besonders auffallen. »
Die CD beginnt mit der Zweiten Symphonie op. 57. David Reiland dirigiert das einleitende Allegretto sehr dynamisch und mit sorgfältiger Akzentuierung. Auf das ausdrucksvolle Lento ma non troppo folgt ein tolles Scherzo, das hier in schillernden Farben federleicht daherfliegt und in ein beschwingtes und gut gelauntes Finale mündet.
Die drei ‘Morceaux’ (‘Marche Funèbre’, ‘Brésilienne’ und ‘Kermesse’) enthalten die charakteristischste Musik dieses Programms, und David Reiland tut wirklich alles, um ihre Rhetorik voll auszuschöpfen und jedem Stück seine eigene Stimmung zu geben, ohne in Pathos zu machen und ohne die Musik ‘poapous’ klingen zu lassen (um einmal ein Wort zu verwenden, das ja zurzeit recht oft im Zusammenhang mit Donald Trump verwendet wird).
Die ‘Symphonie gothique’ ist ein gefährliches Stück, denn allein schon von der Instrumentierung her, mit viel kraftvollem Blech, kann die Musik leicht feierlich und schwer klingen. David Reiland verweigert der Komposition aber jede dicke Schwere und lässt ihre Dramatik und ihren ‘gotischen’ Charakter sowie ihre neobarocken Anklänge mit viel Raffinement in einem schlanken Klang aufblühen.